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Deutsche Krebshilfe: Selbsthilfe-Gruppen sind wichtig und unverzichtbar

Präsidentin Prof. Dr. Dagmar Schipanski fordert finanzielle Absicherung der Krebs-Selbsthilfe"

 

Von bpb-Korrespondent Joe F. Bodenstein

 

Hilfe, Betreuung und Zuneigung für Krebspatienten in Deutschland will die Deutsche Krebshilfe weiter stärken und verbessern. Krebshilfe-Präsidentin Prof. Dr. Dagmar Schipanski ermutigte auf dem „Tag der Krebs-Selbsthilfe" in Bonn alle in diesem Bereich engagierten Gruppen, sich weiterhin für die Betroffenen einzusetzen. „Selbsthilfe ist ein wichtiger Bestandteil der Versorgung!", sagte Schipanski.

Foto: Marco/Bonn

 

Bonn (bpb) Die Deutsche Krebshilfe hat eine sichere Finanzierung der Krebs-Selbsthilfeorganisationen in der Bundesrepublik gefordert. Die Unterstützungsangebote für Betroffene „sind unverzichtbarer Bestandteil der psychosozialen Versorgung von Krebs-Patienten", betonte die Präsidentin der Deutschen Krebshilfe, Prof. Dr. Dagmar Schipanski, am „Tag der Krebs-Selbsthilfe" in Bonn-Bad Godesberg (4.11.2009). Rund 250 Vertreter der Selbsthilfe, Ärzte, Experten aus Pflege, der psychosozialen Onkologie, aus dem physiotherapeutischen Bereich und aus den Sozialdiensten waren zu der Fachtagung gekommen. Sie diskutierten über Vorurteile und Blockaden gegenüber der Selbsthilfe sowie über Wege zu einer besseren Zusammenarbeit.

Die Finanzierung der wichtigen Arbeit von Krebs-Selbsthilfeorganisationen müsse über die Regelversorgung durch die Kostenträger im Gesundheitswesen „verlässlich gesichert werden", forderte Schipanski unter Zustimmung der Tagungsteilnehmer. Sie verlangten ferner, dass Patientenvertreter in politischen Entscheidungsgremien ein „umfassendes Mitbestimmungsrecht" erhalten.

Die Deutsche Krebshilfe hatte den Tag gemeinsam mit allen von ihr geförderten Krebs-Selbsthilfeorganisationen zum nunmehr fünften Mal ausgerichtet. Präsidentin Schipanski sicherte der Krebs-Selbsthilfe weiterhin Solidarität und finanzielle Förderung zu.

 

Vier Millionen Euro im Jahr aus Spendengeldern

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven, erinnerte bei dem Treffen: „Die Selbsthilfeorganisationen werden von uns derzeit jährlich mit fast vier Millionen Euro unterstützt." Die Mittel kommen aus privaten Spenden der Bürger. Um jedoch die Glaubwürdigkeit der Selbsthilfe und ihr „hohes gesellschaftliches Ansehen nicht zu gefährden, muss ihre unabhängige Finanzierung sichergestellt werden", sagte Nettekoven. „Die Deutsche Krebshilfe sieht sich daher auch weiterhin in der Pflicht, Selbsthilfe-Organisationen finanziell den Rücken freizuhalten. "Gemeinsam mit diesen forderte Nettekoven jedoch die Kostenträger auf, die institutionelle Förderung der Bundesverbände der Selbsthilfe sowie die Finanzierung der Gruppenarbeit vor Ort und an der Basis in die Regelversorgung zu übernehmen. Erst dann sei die Krebs-Selbsthilfe wirklich anerkannter Bestandteil der Patientenversorgung.

 

Blick in den Tagungs-Saal der Godesberger Redoute. Seit Jahren an vorderster Front im Kampf gegen Krebs: Prof. Dr. Dagmar Schipanski (Mitte), DKH-Vorstandsmitglied Klaus Dörrie und Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe (rechts). Neben der Präsidentin (links) Pressesprecherin Dr. Eva M. Kalbheim.

Foto: Ulrich Wienke

 

Offene und kritische Diskussion

Auf der Tagung wurden die bei Krebserkrankung auftretenden Probleme offen und kritisch diskutiert. Ein Hauptthema war: Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in der Versorgung und der Betreuung von Krebspatienten. Die Journalistin Christiane Poertgen und Krebshilfepräsidentin Schipanski moderierten die ganztägige Veranstaltung mit Fachvorträgen, Podiumsdiskussion und spontanen Meinungsäußerungen aus dem Teilnehmerkreis. Kritische Fragen waren erwünscht. An der politischen Gesprächsrunde „Wege bahnen" beteiligte sich unter anderen der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven. Er und Prof. Dr. Michael Bamberg (Universitätsklinik Tübingen), Prof. Dr. Gerhard Englert (Haus der Krebs-Selbsthilfe), Werner Kubitza (Bundesverband der Kehlkopfoperierten) und Dr. Rainer Hess (Gemeinsamer Bundesausschuss) standen Rede und Antwort.

 

Scharfe Kritik an Vorurteilen

Auf der Tagung widersprach die ehemalige Bundesvorsitzende der Frauenselbsthilfe nach Krebs, Hilde Schulte, energisch den Vorurteilen gegenüber privaten Hilfsinitiativen. Dazu gehöre bedauerlicherweise auch die Darstellung: „Selbsthilfegruppen sind Kaffeekränzchen, hier wird über Ärzte geschimpft und es wird sich in medizinische Entscheidungen eingemischt." Richtig sei vielmehr: „In Selbsthilfegruppen findet ein vertrauensvoller Austausch zwischen krebskranken Menschen statt. Die Gespräche haben eine hohe Glaubwürdigkeit und Intensität, wie sie nur unter Gleichbetroffenen möglich sind. Kein anderer kann so verständlich und authentisch zum Leben mit der Erkrankung und ihren Beeinträchtigungen informieren wie Betroffene selbst." Selbsthilfegruppen würden von geschulten Selbstbetroffenen geleitet. Sie stellen keine Konkurrenz zu Ärzten dar, sondern ergänzen die Versorgung, betonte Schulte. „Um Krebs-Patienten einen Zugang zur Selbsthilfe zu ermöglichen, müssen Vorurteile und Blockaden abgebaut und bei allen Berufsgruppen, die mit Betroffenen Kontakt haben, Akzeptanz für den Nutzen von Selbsthilfe geschaffen werden. Nur dann kann sie fester Bestandteil der Versorgung werden", sagte Krebshilfe-Präsidentin Schipanski

Keine festen, kompetenten Ansprechpartner in der Selbsthilfe, fehlendes Wissen über die Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Kompetenzüberschreitungen seien Gründe, warum Mitarbeiter aus der Pflege, aus der Physiotherapie oder aus dem professionellen psychosozialen Bereich nicht mit Selbsthilfegruppen kooperieren. Regelmäßige gemeinsame Gespräche und Schulungen für Leiter von Selbsthilfegruppen seien Wege zu einer besseren Zusammenarbeit.

 

Der internationale Krebs-Experte Prof. Dr. Michael Bamberg (Universitätsklinik Tübingen) auf der Tagung der Deutschen Krebshilfe. Beim Interview mit Moderatorin Christiane Poertgen beschrieb Prof. Bamberg die beratenden und informierenden Aufgaben der Selbsthilfegruppen sowie deren Begleitung bei der Linderung und Heilung. Es sei jedoch nicht die Aufgabe von Hilfsorganisationen, Ärzten Empfehlungen für Medikamente und Therapien zu geben, sagte Bamberg.

Foto:Marco/Bonn

 

Als positiv wurde auf der Tagung hervorgehoben, dass Selbsthilfeorganisationen die Interessen von Patienten in medizinischen und politischen Gremien vertreten. Dazu gehört auch die Mitarbeit im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem obersten Beschlussgremium der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. „Die Mitarbeit von Patientenvertretern im G-BA erfolgte anfangs nach dem Prinzip ‚annehmen, lochen, abheften'- wir hatten eher Alibi-Funktion", berichtete Professor Dr. Gerhard Englert, Vorsitzender der Deutschen ILCO. „Heute schätzt man unsere Beiträge sehr und wir können im Interesse der Patienten Einfluss nehmen." Die Deutsche ILCO ist eine Selbsthilfevereinigung für Menschen mit einem künstlichen Darmausgang und für Darmkrebs-Patienten. Englert war von 2004 bis 2008 Mitglied im G-BA. Seinem Nachfolger Werner Kubitza, Präsident des Bundesverbandes der Kehlkopfoperierten, reicht das jedoch noch nicht aus: „Wir fordern ein umfassendes Mitbestimmungsrecht bei allen Entscheidungen, die die Patienten betreffen".

Auch die Deutsche Krebshilfe setzt sich dafür ein, dass Selbsthilfevertreter bei allen gesundheitspolitischen Entscheidungen mitbestimmen, betonte Pressesprecherin Dr. Eva M. Kalbheim. Die Ärztin erinnerte daran dass die Krebs-Selbsthilfe seit über 30 Jahren ein fester Bestandteil der Fördermaßnahmen der von Dr. Mildred Scheel gegründeten Deutschen Krebshilfe ist.

 

Krebs und Berichterstattung der Medien

Zu Klagen von Selbsthilfegruppen, ihre Arbeit finde eine zu geringe Aufmerksamkeit in den deutschen Medien, nahm die Berliner Journalisten Barbara Kostolnik (ARD/Bayerischer Rundfunk) offen Stellung. Sie räumte ein, dass Medien vorrangig aktuelle Neuigkeiten und „Sensationen" in ihrer Berichterstattung vorzögen. Hinzu komme in Berlin die Terminvielfalt durch politische Aktivitäten. Gesundheitsthemen blieben dabei notgedrungen auf der Strecke, auch zum Leidwesen einzelner Journalisten. Trotz allem sollten die Selbsthilfegruppen immer wieder über ihre wichtige Arbeit berichten, um zumindest regionale Aufmerksamkeit zu erlangen. Das Thema Selbsthilfe sei sehr wichtig.

Vertreter der Hilfsorganisationen würdigten bei dem Treffen mehrfach die „sachliche und stets aktuelle" Informationsarbeit der Deutschen Krebshilfe. So seien die Broschüren der Reihe „Blauen Ratgeber" und die Informationen des "in vivo" TV-Magazin der Deutschen Krebshilfe" im Fernsehen für eine Aufklärung der Bevölkerung nicht mehr wegzudenken.. Sie seien eine wertvolle Ergänzung der Presse- und Medienarbeit der Deutschen Krebshilfe, erklärten Teilnehmer auf Befragen. ( www.krebshilfe.de )

 

 

© PROMETHEUS 149/2009

PROMETHEUS, Internet Bulletin - News, Politics, Art and Science. Nr. 149, November 2009