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Krebs-Selbsthilfe-Organisationen: starkes Gehör bei der Deutschen Krebshilfe

Weiteres Treffen Selbsthilfegruppen im November 2008

Von bpb-Korrespondent Joe F. Bodenstein

 

Zwei die gut zuhören können: Professor Dr. Dagmar Schipanski, Präsidentin der Deutschen Krebshilfe, und ihr Hauptgeschäftsführer Gerd Nettekoven. Am Tag der Krebs-Selbsthilfe nahmen sich beide viel Zeit für die Basis.

© Foto Stefan Ammon

 

 

Bonn/Berlin (bpb) Im Kampf zur Überwindung von Krebs ist der Deutschen Krebshilfe der Kontakt und der Dialog mit der „Basis" der betroffenen sehr wichtig. Am „Tag der Krebs-Selbsthilfe-Organisationen" 2007 in Bonn-Bad Godesberg nahm sich die Präsidentin der Deutschen Krebshilfe, Prof. Dr. Dagmar Schipanski, viel Zeit für die Vertreterinnen und Vertreter der Hilfsorganisationen aus allen Bundesländern. Ihr Hauptgeschäftsführer Gerd Nettekoven bekräftigte, dass der Krebshilfe die Anliegen der Hilfsorganisationen sehr ernst nimmt: „Wir hören sehr aufmerksam zu, um die vielfältigen Informationen und Vorschläge letztlich auch in die Entscheidungen der Deutschen Krebshilfe und ihrer Gremien einfließen zu lassen."

Prof. Schipanski erklärte auf der sehr gut besuchten Tagung in der historischen Redoute in Bad Godesberg, die Krebshilfe wolle vor allem die Ärzte erreichen, die dem Patienten die Diagnose „Krebs" mitteilen. „In dieser Situation hat der Betroffene sehr viele Fragen, er ist verunsichert, braucht Informationen und Rat", gab die DKH-Präsidentin zu bedenken. „Der Hinweis auf eine Selbsthilfegruppe, die dem Patienten den Austausch mit Gleichbetroffenen ermöglicht, ihm zusätzlich Orientierungshilfe, aber auch Trost und Ra bietet, kann zu diesem Zeitpunkt für den Betroffenen sehr hilfreich sein."

Die Deutsche Krebshilfe hat den Tag der Krebs-Selbsthilfe mit allen von ihr geförderten Selbsthilfe-Organisationen mit dem Ziel veranstaltet, die Akzeptanz für die Selbsthilfe insbesondere in der Ärzteschaft zu verbessern. Rund 200 Vertreter der Selbsthilfe, Ärzte, Mitarbeiter aus der psychosozialen Betreuung und Entscheidungsträger im Gesundheitswesen diskutierten über Möglichkeiten und Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Selbsthilfe. Die Deutsche Krebshilfe hat sich bereit erklärt, eine Stiftungsprofessur Krebs-Selbsthilfeforschung einzurichten und ein Schulungszentrum für Selbsthilfevertreter zu unterstützen.

„Selbsthilfevertreter sind heute Partner aller Akteure im Gesundheitswesen und unterstützen die Krankheitsbewältigung maßgeblich. In einer guten Kooperation von Ärzten und Selbsthilfegruppen liegen Potentiale für die weitere Verbesserung der Qualität insbesondere der psychosozialen Versorgung von Patienten", sagte Professor Dr. Dagmar Schipanski. Sie beklagte, dass nach wie vor viele Ärzte nicht mit der Selbsthilfe zusammenarbeiten wollten. Vorurteile und Vorbehalte, Unkenntnis, Zeitmangel und Budgetierung seien oft Gründe dafür. Diese Vorbehalte stehen im krassen Gegensatz zu dem, was Professor Dr. Wolfgang Slesina, Leiter der Sektion Medizinsoziologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, in seinen Forschungsarbeiten zur Zusammenarbeit von Ärzten und Selbsthilfegruppen herausgefunden hat. „Ärzte, die mit Selbsthilfegruppen kooperieren, haben einen schärferen Blick für die Probleme der Betroffenen und schätzen Kompetenz und Therapietreue ihrer Patienten", betonte Slesina auf der Tagung. Er fügte zuversichtlich hinzu: „Immer mehr Ärzte haben mittlerweile den Nutzen einer Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen erkannt, es hapert aber immer noch an der Umsetzung". Um die Zusammenarbeit zu erleichtern, appelliert er an die Selbsthilfevertreter, insbesondere ihre Kommunikationsfähigkeit zu trainieren: „Es kommt im Umgang mit den Ärzten vor allem darauf an, wie etwas gesagt und vermittelt wird."

 

Appell zur verstärkten Zusammenarbeit von Ärzten und Selbsthilfegruppen. Dr. Leonhard Hansen (Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und stellvertretender Vorsitzender des Fachausschusses Krebs-Früherkennung der Deutschen Krebshilfe) forderte auf de Tagung langfristiges Zusammenstehen. Alle Seiten müssten vor allem den Krebspatienten und dessen Heilung im Auge haben.

© Foto Marco-VG

 

Um die Akzeptanz für die Selbsthilfe in der Ärzteschaft zu verbessern, besteht Handlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen. „Die Qualität der Selbsthilfe-Unterstützungsangebote muss weiterentwickelt und Selbsthilfe sollte in die Aus- und Weiterbildung der Ärzte einbezogen werden", forderte Professor Dr. Gerhard Englert, Vorsitzender der Deutschen ILCO, eine Selbsthilfevereinigung für Stomaträger und Menschen mit Darmkrebs. Dafür bedarf es Studien zu den Möglichkeiten einer Qualitätsverbesserung und darauf aufbauende Schulungen für die Mitarbeiter der Selbsthilfe.

 

Schulungszentrum für Selbsthilfe geplant

Die Deutsche Krebshilfe sieht sich maßgeblich in der Pflicht: „Um die wissenschaftliche Basis für die Selbsthilfe zu schaffen und Selbsthilfeforschung betreiben zu können, werden wir zeitnah eine Stiftungsprofessur für Krebs-Selbsthilfeforschung im Hochschulbereich einrichten", versicherte Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. Zudem sehe er die Notwendigkeit für intensive Schulungsmaßnahmen für Selbsthilfevertreter: „Die Deutsche Krebshilfe hat die feste Absicht, ein Schulungszentrum für Selbsthilfe zu konzipieren und zu fördern", kündigte Nettekoven an. Darüber hinaus müsse bereits bei den Medizinstudenten ein Bewusstsein für den Nutzen der Selbsthilfe sowohl für die Ärzte als auch für die Patienten geschaffen werden.

„Während des gesamten Medizinstudiums sollten die Kommunikationsfähigkeiten nachhaltig gefördert und eng an die klinischen Fächer angebunden werden", schlug Professor Dr. Dr. Martin Härter, Leiter der Sektion Klinische Epidemiologie und Versorgungsforschung der Universitätsklinik Freiburg, vor. Dabei müsse die Selbsthilfe von Anfang an mit eingebunden werden.

 

Offen und frei haben sich die Tagungsteilnehmer in spontanen Interviews am Tagungsort geäußert. Moderatorin Christiane Poertgen (WDR Köln), ließ auch kritische Fragen zu.

© Foto Marco-VG

 

Meinung und Ansichten der Teilnehmer

Um unterschiedliche Vorschläge und Kritik von Tagungsteilnehmern zu hören, wurde in spontanen Interviews im Tagungssaal nachgefragt. Die sachkundige Moderation durch die WDR-Redakteurin Christiane Poertgen überwand schnell Hemmungen bei den Befragten und brachte auch kritische Antworten. Als Gesprächspartner standen ferner unter anderen zur Verfügung: Hilde Schulte (Bundesvorsitzende Frauenselbsthilfe nach Krebs), Jürgen Kleeberg (Vorsitzender des Arbeitskreises der Pankreatektomierten) und der Hausarzt Dr. Leonhard Hansen (Vorsitzender der KV Nordrhein). Ferner beteiligten sich Prof. Dr. Dr. Martin Härter (Leiter der Sektion Klinische Epidemiologie und Versorgungsforschung, Universitätsklinik Freiburg), Werner Kubitzka (Vorsitzender des Bundesverbandes der Kehlkopflosen und Kehlkopfoperierten und Maike Hass (Deutsche ILCO).

Krebshilfe-Sprecherin Dr. Eva Kalbheim kommentierte das positive Ergebnis: „Die Teilnehmer des Tages der Krebs-Selbsthilfe waren sich einig, dass insbesondere bei den Ärzten, die dem Patienten die Diagnose Krebs mitteilen, ein Bewusstsein für den Nutzen der Krebs-Selbsthilfe geschaffen werden sollte." Der nächste Tag der Krebs-Selbsthilfe findet im November 2008 statt. ( www.krebshilfe.de )

 

 

© PROMETHEUS 127/2008

PROMETHEUS, Internet Bulletin - News, Politics, Art and Science. Nr. 127, January 2008