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Kontroverse: Deutscher Bundespräsident Gauck in der Kritik

Warnung vor den Linken. Medien fordern mehr Neutralität des Staatsoberhauptes

Von B. John Zavrel

 

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck steht unter Medien-Beschuss. Diesmal ist es nicht das Privatleben des von seiner Ehefrau getrennt lebenden ehemaligen evangelischen Pastors aus DDR-Zeiten. Er hat sich mit der Partei der Linken angelegt.

Foto: press-pool

 

Berlin/Washington (bpb) Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat mit einer Äußerung im November 2014 große Medienaufmerksamkeit erregt, die er sonst durch sein „Tagesgeschäft" nicht bekommt. Er warnte vor einer Regierungsteilnahme der „Linken-Partei" im Bundesland Thüringen. Die Kontroverse geht auch um die Frage: Darf sich der Bundespräsident in die Tagespolitik einmischen.

Deutschland hat viel Pech mit seinen Bundespräsidenten seit die CDU-Politikerin Angela Merkel Regierungschefin ist. Neben dieser umtriebigen Christdemokratin mit DDR-Hintergrund sind die letzten drei Präsidenten in den Schatten gerückt. Ein Präsident „von ihren Gnaden" trat vorzeitig zurück. Sein Nachfolger, der sich besonders araber- und moslem-freundlich zeigte, wurde durch Medienkritik an der Amtsführung und am persönlichem Verhalten zum Rücktritt gedrängt. Mit Gauck, dem ehemaligen evangelischen Pastor aus der DDR-Zeit, haben die deutschen einen hochbegabten Redner, der zu allem etwas zu sagen hat. Aber das Volk will es nach Presseberichten gar nicht hören.

Im Hinblick auf die im Dezember 2014 im deutsche Bundesland Thüringen anstehende Wahl hat Gauck auf seine diplomatische Art davor gewarnt, dass der dortige Linkspartei-Politiker Bodo Ramelow Ministerpräsident werden könnte. Durch eine Koalition von SPD, Linke und den Grünen wäre dies möglich. Die Linke wird von Kritikern weiterhin als Nachfolgepartei der kommunistischen SED angesehen. Der Disput in Deutschland hat auch Auswirkungen auf die EU. Außerdem gilt Deutschland traditionell als der wichtigste und treueste Verbündete der USA. Amerika muss es interessieren, was in Deutschland alles passiert.

 

Ein Überblick des unterschiedlichen Medien-Echos:

In den Medien werden Gaucks Aussagen unterschiedlich bewertet. Pressestimmen waren bereits zum Start der Kontroverse mehr kritisch als neutral. Gegenüber der „Bild am Sonntag" wies die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, Gaucks Kritik an der möglichen Wahl eines Linkspartei-Politiker zu Thüringens Ministerpräsidenten entchieden zurück und wertete sie als Kompetenzüberschreitung : „Ein Präsident muss seine Worte sehr wägen. Sobald er sich dem Verdacht aussetzt, Parteipolitik zu machen, ist seine Autorität beschädigt. Seine Zweifel an der demokratischen Gesinnung unserer Mitglieder und Wähle weise ich in aller Form zurück. So etwas gehört sich für einen Präsidenten nicht."

Das auflagenstärkste Boulevard-Blatt Europas, die Bild Zeitung: "Als Gauck jüngst Rechtsextremisten als 'Spinner' abkanzelte, fanden das auch die Linken gut. Doch auch die SED-Erben müssen verstehen: Der Bundespräsident ist nicht nur oberster Festredner der Mehrheit und ganz bestimmt nicht der Grüß-August der Nation. Er muss nicht immer allen gefallen. Er darf auch sagen, was er denkt. Und manchmal muss er es auch."

Spiegel Online: "Dass Joachim Gauck mit der Linkspartei ein Problem hat und die Linke mit dem Bundespräsidenten, ist bekannt. Und es überrascht niemanden beim Blick auf die Biografie des Staatsoberhaupts und die Genese der Partei. Es ist auch sein gutes Recht, dass Joachim Gauck weiterhin eine bestimmte Sicht auf die Linke hat. Das steht jedem Bürger zu. Aber es steht dem Bürger Gauck nicht zu, diese Meinung als Staatsoberhaupt öffentlich zu vertreten."

 

München: süddeutsche.de: "Der Bundespräsident mischt sich ins demokratische Kräftespiel ein, wenn er einen linken Ministerpräsidenten ablehnt. Das steht ihm nicht zu. Die deutsche Einheit ist viel weiter, als es die Debatte über den Unrechtsstaat vermuten lässt."

 

Hamburg, stern.de: "Der Bundespräsident mag die Linkspartei und deren Wähler nicht. Dass er jetzt die Regierungsbildung in Thüringen kritisiert, zeigt nur, dass er die Spielregeln der Demokratie nicht verstanden hat."

 

Berlin, taz.de: "Er tut so, als wisse er es besser als SPD und Grüne in Thüringen. Das ist eine Anmaßung vom Feldherrenhügel. Was in Thüringen politisch möglich und nötig ist, spielt von dort aus gesehen keine Rolle. Auch dass sich die Linkspartei dazu durchgerungen hat, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen, zählt nicht--auf dem Feldherrenhügel weiß man sich im Besitz der historischen Moral."

 

(3. November 2014)

 

 

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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 207, November 2014