Richard von Weizsäcker bei seiner Rede zum Kriegsende vom 8. Mai 1945. Die Ansprache des Bundespräsidenten zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985 vor dem Deutschen Bundestag in Bonn wurde gelobt, getadelt, verurteilt. Bis heute werden seine Worte vom Tag der Befreiung" kontrovers diskutiert.
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Berlin/Washington (bpb) Der frühere deutsche Bundespräsident Richard Karl Freiherr von Weizsäcker ist tot. Er starb am 31. Januar 2015 im Alter von 94 Jahren in Berlin, teilte das Bundespräsidialamt mit. Das politische Deutschland ehrt den populären Politiker am 11. Februar im Berliner Dom mit einem Staatsakt. Die Beisetzung erfolgt im engen Familienkreis".
Richard von Weizsäcker war von 1984 bis 1994 Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Wie seine fünf Amtsvorgänger zahlte er zu den treuen Verbündeten und Freunden der USA. In seine Amtszeit als Bundespräsident fiel die Deutsche Wiedervereinigung in den Jahren 1989 bis 1990. Richard von Weizsäcker war evangelischer Christ. Seit 1953 war er mit Marianne geb. von Kretschmann, verheiratet. Aus der Ehe sind vier Kinder hervorgegangen.
Ein Höhepunkt seiner glanzvollen politischen Karriere nach Kriegsende 1945 war von 1981 bis 1984 auch das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. In Umfragen stand er stets an der Spitze der beliebtesten Politiker in Deutschland. Durch Erziehung und Familie hatte er das gesellschaftliche Auftreten eines feinen Herren". Sein Wissen und diplomatisches Geschick sowie seine Klugheit und Intelligenz befähigten ihn zu einem ausgezeichneten Redner und Vermittler von Ideen. Auf seinen zahlreichen Staatsbesuchen hat er auch in den USA und Israel für das neue demokratische Deutschland und seine Bündnistreue zu geworben. Dies tat er ebenfalls bei Staatsbesuchen in osteuropäischen Staaten wie Polen, Tschechoslowakei und in der Sowjetunion, gegen die er als Soldat der Deutschen Wehrmacht gekämpft hatte.
Der Glanz des Adels lebte auf
Besondere Freude schien Weizsäcker zu bereiten, den Kontakt mit den Kaiser- und Königreichen zu pflegen. Er wirkte dabei selbst ein bisschen als deutscher Kaiser oder König", hieß es damals in Diplomatenkreisen. In Frack und Orden machte das Staatsoberhaupt mit seiner weißen Haarpracht eine gute Figur. Die Weizsäckers gehören zum jungen Adel" in Deutschland. Sein Großvater war von König Wilhelm II. von Württemberg geadelt und erst 1916 in den erblichen Freiherrenstand erhoben worden. Durch sein Leben und Wirken als vorbildlicher Bundespräsident hatte er zu neuem Ansehen des Adels beigetragen. Zugute kam dem Staatsmann, dass von ihm nicht wie von anderen Politikern fragwürdige Einladungen oder Vorteilsnahmen bekannt wurden. Es hat offensichtlich keine gegeben, sonst hätten die Medien dies aufgegriffen.
Einen Eindruck über von Weizsäckers Verhältnis zum internationalen Adel vermittelt die Journalistin Jutta Vogel in der Publikation Die Weizsäckers und die europäischen Königshäuser". In ihrem 1989 im Bastei Lübbe Verlag (Germany) erschienen Buch berichtet die Autorin unter anderem, wie es war, als die Weizsäckers beim Staatsbesuch in London mit der Queen unter einem Dach lebten. Auch Gespräche mit Prinz Phillip, Königskindern und der damalige Schwiegertochter Prinzessin Diana sind zitiert.
9. November 1989: Ein historischer Tag in Berlin: Die kommunistische Sperrmauer ist gefallen. US-Präsident Ronald Reagan hatte die Öffnung immer wieder gefordert. Unser Bild zeigt Bundeskanzler Helmut Kohl (Mitte) mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker (rechts) und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher in der Nacht des Mauerfalls bei einer freudigen Demonstration in Berlin.
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Rede zum 8. Mai spaltete die Deutschen
Von allen Reden des Bundespräsidenten blieben besonders seine Worte zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985 vor dem Bundestag in Erinnerung. Sie spalten jedoch die Bevölkerung bis heute. Diese Rede vom 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag in Bonn fand vor allem im Ausland und bei den Siegermächten hohe Anerkennung. Weizsäcker nannte den 8. Mai für die Deutschen keinen Grund zum Feiern, wohl aber einen Tag der Befreiung" von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Die Mehrheit der Deutschen war gegen eine solche Darstellung. Dazu gehörten die Vertriebenen-Organisationen sowie alle Gruppen, die nach dem verlorenen Krieg gelitten haben. Für sie war weder der Einmarsch der Roten Armee" noch die folgende Präsenz alliierter Truppen in Deutschland eine Befreiung". Es war für sie, wie es hieß, ein verlorener Krieg mit Entrechtung, Verlust von Heimat und Vermögen sowie Enteignungen". Ungeachtet der Kontroverse um die Rede bleib sie der in der Bevölkerung meistbeachteter Beitrag seiner Amtszeit.
Ein deutsches Schicksal mit Nazi-Vergangenheit ging zu Ende
Mit dem Tod Richard von Weizsäckers hat sich zugleich ein Deutsches Schicksal vollendete, das wesentlich mit von der sogenannten Nazi-Vergangenheit geprägt worden war. Seine Familie zählte in der NS-Zeit zu den Privilegierten der Gesellschaft. Als Abiturient hatte er die Kriterien der nationalsozialistischen Begabtenförderung" erfüllt. So konnte er in Oxford (Großbritannien) und Grenoble (Frankreich) studieren. Seine Mitgliedschaften in verschiedene NS-Organisationen begannen in der Hitler-Jugend. Später kämpfte er als Soldat der Wehrmacht vor allem an der Ostfront. Anfang 1944 erhielt er das Eiserne Kreuz 1. Klasse. im April 1945 gelang ihm und seiner Gruppe der Rückzug aus dem Osten über Kopenhagen nach Potsdam. Von dort setzte er sich &endash; nach Angaben in der biographie--nach Lindau aub und beging dami Fahnenflucht" . Auf diese Weise erlebte er das Kriegsende und geriet nicht in Gefangenschaft.
Sein Vater Ernst von Weizsäcker war im Dritten Reich" als Jungdiplomat der Weimarer Republik in das Auswärtige Amt übernommen worden. Seine Karriere setzte sich als Staatssekretär im Auswärtigen Amt und anschließend bis Kriegsende als Botschafter im Vatikan fort. Nach dem Krieg wurde er bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen angeklagt.
Richard von Weizsäcker begann bereits 1945 ein Jura-Studium in Göttingen. Neben seinem Studium arbeitete Weizsäcker von 1947 bis Anfang 1949 als Assistent von Rechtsanwalt Hellmut Becker, der der Verteidiger seines Vaters bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen war. Während der Prozesse war Weizsäcker im sogenannten Wilhelmstraßen-Prozess' Hilfsverteidiger seines Vaters, des SS-Brigadeführers und Staatssekretärs Ernst von Weizsäcker". Dieser wurde nach amtlichen Angaben aufgrund seiner aktiven Mitwirkung bei der Deportation französischer Juden nach Auschwitz" wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer sieben-, später fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Angeklagte kam jedoch aufgrund einer allgemeinen Amnestie vorzeitig frei. Richard von Weizsäcker bezeichnete das Urteil später immer als historisch und moralisch ungerecht".
(7. Februar 2015)
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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 210, February 2015