Russlands Präsident Wladimir Putin und der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras am Donnerstag, dem 8. April 2015 in Moskau. News-Ticker aus Russland: Kreml-Chef will Athen als Partner für neues Pipeline-Vorhaben gewinnen. Der Grieche kam formlos gekleidete in den früheren Zaren-Palast, während Präsident Putin protokollgerecht elegant mit Krawatte auftrat.
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Moskau/Athen (bpb) Die politischen Spannungen in Europa haben zu einer regelrechten Schmierenkomödie auf Diplomatischer Bühne geführt: Hauptdarsteller ist das EU-Land Griechenland mit Ministerpräsident Alexis Tsipras sowie dessen linke Regierung. Das große Problem ist: Griechenland steht nach Medienberichten kurz vor dem Staatsbankrott. Die EU-Länder und vor allem Deutschland haben Griechenland bereits mit vielen Milliarden Euro unterstützt. Doch das Finanzloch wird immer größer. Daraufhin haben EU-Staaten in der Krise den Geldhahn zugedreht, bis die Griechen endlich eine Sparpolitik einleiten. Sie sollen mit einer neuen Finanz- und Steuerpolitik dem Staat Geldeinnahmen erwirtschaften.
Da diese Hoffnungen allgemein als utopisch erscheinen, hat Tsirpas seine Bettel-Reise in Moskau fortgesetzt. Er traf am 8. April mit Präsident Wladimir Putin im Kreml zusammen. Beide Politiker erweckten den Eindruck, dass die Gespräche im Sinne der bilateralen Zusammenarbeit erfolgreich gewesen sind. Die betrafen Möglichkeiten des verstärkten Handels, der Rohstofflieferung aus Russland an die Griechen und eine neue politische Zusammenarbeit. Kreml-Chef Putin wird nachgesagt, dass er mit aller Kraft eine östliche Staatenpartnerschaft aufbauen wolle als Gegenstück zur Europäischen Union und ihre transatlantische Bindung an die USA. Wenn dadurch die West-Allianz brüchiger wird, dann ist dies um so besser für die Weltmacht-Ambitionen der Russen
Wachsam von den USA gefordert
Die politische Entwicklung in Europa und die Versuche Putins, neue Verbündete im westlichen Lager zu finden sind für die USA von fundamentaler Bedeutung. Daher ist es wichtig, dass US-Präsident Barak Obama ernst nimmt, was sich in Europa zusammenbraut. Als Anfang April der griechische Finanzminister Yannis Varoufakis in Washington war und mit IWF-Chefin Christine Lagarde zusammentraf, hatte kein ranghohes Regierungsmitglied Zeit für den Griechen.
Der Moskau-Besuch von Tsirpas war bereits vorher umstritten. Die ablehnende Haltung in der Europäischen Union hat sich seither noch verstärkt. Dies zeigen zahlreiche kritische Medienberichte. Eine Auswahl von Pressestimmen vom 9. April 2015 sind nachfolgend aufgeführt.
Neuen Zürcher Zeitung (Schweiz): "Lenin prägte einst einen Begriff für Figuren wie Tsipras: nützliche Idioten. Es liegt im Interesse des Kremls, Europa in der Ukraine-Frage zu spalten. Im Sommer stehen die EU-Sanktionen zur Verlängerung an, und Moskau hofft auf einen innereuropäischen Dissens. Tsipras alleine kann sich nicht querlegen, aber als nützliche Instrumente stehen auch noch Putin-Versteher wie Ungarns Regierungschef Orban oder die französische Populistin Le Pen zur Verfügung. Tsipras meint wohl, er könne mit seiner moskaufreundlichen Politik die europäischen Geldgeber aufschrecken und zu einem nachgiebigen Umgang in der Schuldenkrise bewegen. Je schneller man ihm klarmacht, dass er sich damit auf dem Holzweg befindet, desto besser."
Tageszeitung DIE WELT / Welt Online: "Der russische Präsident Wladimir Putin bemühte sich um die Rolle des guten Gastgebers, als er den griechischen Premierminister Alexis Tsipras im Kreml empfing. ( ) Doch bei der gemeinsamen Erklärung sah Putin sichtbar genervt und gelangweilt aus. Immer wieder schaute er an die Decke, während Tsipras redete. Die Verachtung für den Regierungschef eines hoch verschuldeten Landes, der nicht einmal eine Krawatte trägt, war ihm in die Gesichtszüge geschrieben. Wenn dieses Treffen ein politisches Theater war, spielte Putin den Zaren, und Tsipras musste sich mit der Rolle eines Hofnarren abfinden."
Pravda (Slowakei): "Dass Griechenland die russische Karte ausspielt, sollte keinen der europäischen Politiker überraschen, die Griechenland in die Ecke drängen. Wenn also Martin Schulz (den griechischen Regierungschef Alexis) Tsipras warnt, er solle nicht mit dem Gedanken spielen, die gemeinsame europäische Linie der Sanktionen gegen Russland zu durchbrechen, dann sollte er auch die Umstände überlegen, die Tsipras theoretisch zu so einem Gedankenspiel bringen könnten.
Bild-Zeitung, Berlin: "Alexis Tsipras mag Premier eines EU-Landes sein. Aber ein Europäer ist er nicht! Mit Auftritten und Aussagen wie gestern am Hofe Putin beschleunigt er nur eines: den Niedergang seines eigenen Landes, das Euro-Aus. Er provoziert die Euro-Partner. Führt sein Land aus Europa. Wird das, was in Moskau besprochen wurde, Realität, wird aus Griechenland ein Vorhof Moskaus für den Balkan, ein Wasch- und Parkplatz für das Geld der Kreml-Mafia. Erpressbar mit jeder Zitronen-Lieferung gen Russland. Tsipras rettet so seine Griechen nicht vor Armut, Euro-Krise und Staats-Bankrott. Er verkauft sein Volk zusammen mit den europäischen Werten: Statt der griechischen Kleptokraten werden dann russische Oligarchen abkassieren. Putin verspricht Geschäfte für übermorgen. Gegen die drohende Pleite HEUTE hilft das den gebeutelten Griechen nicht. Tsipras verzockt sich."
Mannheimer Morgen: Tsipras will der Europäischen Union zeigen, dass er sich auch anderswo Hilfe holen kann. Putin umgarnt ein EU-Mitglied, das ihm vielleicht dabei dienlich sein kann, die im Zuge des Ukraine-Konflikts verhängten westlichen Sanktionen aufzuweichen. Wirtschaft bedeutet hier Politik, obwohl von Letzterer offiziell keine Rede ist. Wer einen Sonderweg einschlägt, um etwa das russische Embargo von griechischem Obst zu lockern, biedert sich geradezu an, um sich aus dem einheitlichen EU-Block gegen Putins Ukraine-Politik herauslösen zu lassen.
Trierischer Volksfreund: "Vereinbart wurde nichts, was Brüssel derzeit wirklich extrem erzürnen müsste. Wenn Russland für Griechenland das Embargo gegenüber EU-Agrarprodukten lockern will, dann mag das der griechischen Wirtschaft kurzfristig helfen und ein Ärgernis für deutsche Bauern sein. Aber damit sind die gigantischen Probleme Athens noch längst nicht beseitigt. Die von Russland übrigens auch nicht. Und vieles steht nur auf dem Papier, wie die Pläne im Energiebereich, die Pipeline- und Gasvorhaben. Die Umsetzung wird dauern. (...)"
Neue Osnabrücker Zeitung: "Wer sich über den Besuch des griechischen Premiers in Moskau mokiert, hat eine ziemlich zentrierte Sicht. Beide Länder verbindet der orthodoxe Glaube; das größte Kloster auf dem Berg Athos ist russisch. Nach Antrittsvisiten in Westeuropa nach Russland zu reisen muss für Alexis Tsipras schon deshalb eine Selbstverständlichkeit sein dürfen. Das Recht auf Verhandlungen in Russland darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Athen glühende Ideologen am Werk sind. Ein Politikstil, der den Brüsseler Kompromissmeistern oder den bis zur Unkenntlichkeit pragmatischen deutschen Regierungsparteien fremd geworden ist. Nach Bürgerkriegen und Militärdiktatur war der Weg in die EU für die Griechen in der Tat keineswegs vorgezeichnet. Der Verbleib darin ist es allerdings auch nicht."
Sächsische Zeitung: "Theoretisch hat die EU recht, wenn sie die Griechen davor warnt, aus der gemeinsam beschlossenen Linie gegenüber Moskau auszuscheren und stattdessen dem russischen Bären ein bisschen griechischen Honig ums Maul zu schmieren. Die Herren in Brüssel wiederum übersehen dabei aber gern, dass just der von ihnen aufgezwungene Sparkurs Athen dazu treibt, sich auch anderweitig nach Rettern und Investoren umzusehen. Letztere nämlich bietet die EU nicht. Sie lässt jetzt nur an einer linken Athener Regierung all das aus, was sie deren konservativeren Vorgängern jahrzehntelang sehenden Auges durchgehen ließ." (Ende der Zitate)
Griechenland fordert 300 Milliarden Euro von Deutschland
Das Verhalten Griechenlands gegenüber Deutschland wird als schamlos bezeichnet. Die Deutschen haben bisher die meisten Milliarden Geldzahlungen verlässlich geleistet. Als sie dann ebenfalls zurückhaltender wurden, begannen griechische Linke Politiker die Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren Finanzministr Wolfgang Schäuble primitiven zu beschimpfen und ihnen zu drohen.
Die größte Keule gegen Deutschland zogen der griechische Ministerpräsident und sein Finanzminister aus dem Sack: sie fordern bisher um 300 Milliarden Euro Reparationszahlungen für deutsche Verbrechen gegen Griechen sowie Wirtschaftsschäden durch die deutsche Besatzung in Griechenland im Zweiten Weltkrieg". Mit dieser Nazi-Keule will die griechische Regierung die Bundeskanzlerin und ihren Finanzminister weichklopfen", wird berichtet. Das demokratische Deutschland soll 75 Jahre nach der zeitweisen Besetzung Griechenlands durch die Deutsche Wehrmacht Zahlungen für Schäden leisten, die verursacht worden sein sollen. Daher ist die sogenannte Volksseele in Deutschland am Kochen. Millionen Deutsche Fahren seit Jahrzehnten nach Griechenland in den Urlaub und haben Ferien-Domizile auf Inseln sowie auf dem Festland. Diesen Besitz will die griechische linke Regierung angeblich jetzt zusätzlich besteuern und eventuell sogar enteignen.
(9.April 2015)
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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 212, April 2015