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Helmut Kohl mit Trauer-Festakt in Europa verabschiedet

Polit-Establishment zelebrierte großes Welt-Theater. Freunde und Feinde kamen

Von Parlamentskorrespondent B. John Zavrel

 

 

EU-Staatsakt für den verstorbenen Altbundeskanzler Helmut Kohl: Blick in den Plenarsaal des Europäischen Parlaments in Straßburg am 1. Juli 2017. Das politische Establishment nahm Abschied von einem großen deutschen Staatsmann. Die Trauerfeier wurde als erster EU-Staatsakt dieser Art zelebriert und inszeniert wie eine Wagner-Oper in Bayreuth.

Foto: press-pool

 

Straßburg/Berlin/Moskau (mea) Ein großer deutscher Staatsmann wurde am 1. Juli 2017 in Westeuropa zu Grabe getragen: Helmut Kohl. Der CDU-Politiker, der als politischer Erbe des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer betrachtet wurde, war aktiver Mitgestalter der internationalen Weltpolitik. Zu seinen Verdiensten gehörten nach Ansicht seiner Gefolgsleute die Versöhnungsbemühungen mit den einstigen Alliierten Feinden Deutschlands: USA, Russland, Frankreich und Großbritannien.

Helmut Kohl war am 16. Juni 2017 im Alter von 87 Jahren in seinem Privathaus verstorben, in dem er mit seiner ersten Ehefrau Hannelore und den beiden Söhnen Jahrzehnte verbracht hatte. Er starb nach Medienberichten „einsam und abgeschieden" in Obhut seiner zweiten Ehefrau Maike Richter , die den erkrankten Alt-Bundeskanzler nach umstrittener öffentlicher Kritik in den letzten Jahren immer mehr isoliert hatte. Als Kohls Erbin entschied sie allein über Art und Umfang der Beisetzungsfeierlichkeiten. Höhepunkt waren der Staatsakt in Straßburg und die katholische Totenmesse im Dom zu Speyer. Es waren ausschließlich geladene Gäste zugelassen. Die breite Öffentlichkeit konnte das Geschehen über Internet und TV verfolgen.

Beim Staatsakt im EU-Parlament waren nur bewegende Worte des Lobes und der Dankbarkeit für Kohl zu hören. Gekommen waren Freunde ebenso wie politische Gegner Kohls, sodass der Eindruck einer „Versöhnungsfeier am Sarg" entstand. Es war nur Lob zu hören wie von Kohls politischem Freund EU- Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er würdigte Kohl öffentlich als "deutschen und europäischen Patrioten". Er sei ein politischer „Nachkriegs-Gigant

 

Russlands Ministerpräsident Medwedew sprach Salut

Die Trauerfeier war auch ein Abschluss einer Epoche europäischer Geschichte mit Helmut Kohl. Sie wurde zugleich eine Bühne der Gegenwart durch den Auftritt von Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew. In seinem letzten Salut an Kohl betonte Medwedew, für Kohl sei Russland Bestandteil eines vereinten Europas gewesen. "Für ihn war das ein Teil eines gemeinsamen Hauses, ohne Stacheldraht."

Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton Salutierte am Sarg Kohls auf amerikanische Art. Er sagte: : "Kohl wollte eine Welt schaffen, in der niemand dominiert." Dann fügte er hinzu: „Du hast das gut gemacht in Deinem Leben. Und wir, die wir dabei sein durften, lieben dich dafür."

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron berichtete: "Helmut Kohl reichte uns die Hand." Er erinnert wie andere Redner an die Versöhnungsgeste Kohls und des französischen Präsidenten François Mitterrand 1984, als sie in Verdun Hand in Hand vor den Weltkriegsgräbern standen. Die einstigen Kriegsfeinde Deutschland und Frankreich, die zur deutsch-französischen Achse wurden, die Europa stützt. "Für meine Generation ist Helmut Kohl schon Teil der europäischen Geschichte", sagt der 39-Jährige Macron.

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel verneigt sich vor den Sarg von Helmut Kohl am 1. Juli 2017 in Straßburg. Beim Staatsakt fand sie nur gute Worte für ihren einstigen Förderer, mit dem sie letztlich zerstritten war.

Foto: press-Pool

 

Keine Versöhnung vor dem Tod mit Kanzlerin Merkel

Die Trauerfeiern waren überschattet von der Unversöhnlichkeit Kohls mit Personen, die er gefördert hatte und die ihn letztlich enttäuscht hatten. Dazu gehört Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Kohl in all seinen politischen Ämtern beerbte und nach wie vor für den Sturz Kohls mitverantwortlich gemacht wird. Die deutsche Regierungschefin, die zur Zeit im Wahlkampf für die Parlamentswahlen im Herbst 2017 steht, redete beim Staatsakt „mit Engels Zungen" über Kohl.

Beim Staatsakt würdigt sie Kohl als großen Brückenbauer zwischen Ländern und Menschen: Als Weltpolitiker, Europäer, Freund Frankreichs, als Kanzler der Einheit. Der das politische Gespür hatte, die Zeichen der Zeit erkannte und anders als andere nach dem Fall der Mauer die Chance zur historischen Wiedervereinigung Deutschlands nutzte. Kohl, der Staatsmann!

Abschließend sagte die in der DDR aufgewachsene CDU-Politikerin mit Blick auf den Sarg Kohls und Tränen in den Augen: "Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil. Danke für die Chancen, die Sie mir gegeben haben. (...) Ich verneige mich vor Ihnen und Ihrem Angedenken in Dankbarkeit und Demut!"

 

Keine Versöhnung mit den Söhnen

Zu den traurigen Seiten des Abschieds gehörte nach Medienberichten auch, dass es keinen deutschen Staatsakt für Kohl gegeben hat. Er wollte wohl nach Ansicht von Insidern frühere politische Gegner wie den heutigen SPD-Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (und Kritiker des neuen US-Präsidenten Donald Trump) als Redner verhindern. Traurig und empört reagieren auch unzählige Bürger in den Medien darauf, dass sich Kohl und seine Söhne Peter und Walter nicht mehr versöhnt haben. Maike Kohl-Richter verwehrte ihnen zuletzt den Einlass ins Elternhaus in Ludwigshafen-Oggersheim. Dort hatte sich die Witwe sechs Tage lang mit dem Leichnam im Wohnhaus verschanzt und in dieser Zeit die Gedenkfeierlichkeiten maßgeblich bestimmt. Dieses eigenwillige Verhalten hat in Sozialen Medien einen regelrechten „Shitstorm" gegen die Witwe ausgelöst, den sie unkommentiert ließ.

 

(2. Juli 2017)

 

 

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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 239, July 2017