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Uwe Möller zum 150. Todestag von Heinrich Heine

Enthüllung des Heine Porträts am 20.08.2006 im Schloß Nörvenich

 

Der Präsident der Arno Breker-Gesellschaft, Uwe Möller, und Antje Käser (links) auf Schloss Nörvenich am Tag der Aufstellung des Heine-Porträts.

© www.museum-arno-breker.org / Marco VG.

 

Noervenich (bpb) Die Arno Breker Gesellschaft (ABG) hat zum 150. Todestag von Heinrich Heine die von Arno Breker geschaffene Bronze-Büste des bedeutendsten jüdischen Dichters deutscher Sprache im Skulpturenhof von Schloss Nörvenich (Landkreis Düren, NRW/Deutschland) aufgestellt. Die Enthüllung vor über 200 Gästen nahm Alexander Bodenstein vor, der jüngste Enkelsohn der Schlossfamilie. Die Festrede an diesem historischen Sonntag, 20. August 2006, hielt der Breker- und Heine-Experte Uwe Möller, der Präsident der Arno Breker Gesellschaft e.V. Der Festakt fand bei strahlendem Sonnenschein statt. ABG-Präsident Uwe Möller sagte wörtlich:

 

Heine und Breker waren Brückenbauer und große Europäer

Erst heute, in milderer Jahreszeit denn an einem Februartag, da Schloß und Park in Winterstarre, kommen wir hier zusammen: Des 150. Todestags eines Dichters zu gedenken, der am vorletzten Dienstag gekürt wurde, 2009 in die Ruhmeshalle Walhalla aufgenommen zu werden, von ihm als "marmorne Schädelstätte" einst verspottet.

Die Deutschen taten sich nie leicht mit ihm - woran er aber auch nicht ganz unschuldig: Allzu sehr verspottete er nicht nur das preußische Deutschland. Als Schwabe (ich komme ja aus dem Ländle) denkt man da, näherliegend, eher an Heines Schmähung von Mörikes Dichtung. Und mit Wehmut, daß es doch Friedrich Silcher, ein Schwabe, war, der durch die eingängige Vertonung von Heines 'Loreley', unbewusst das Wort 'Volkslied' rechtfertigte, als man das Gedicht, wie schon im Wehrwolf-Liederbuch 1932, zwar weiter in den Schulbüchern beließ, doch des Dichters Name beraubte, ihn getilgt hatte.

Andererseits, nur von wenigen wahrgenommen, erhielt der Dichter erste offizielle Würdigung in Israel erst im Jahr 2001, durch die Ausgabe einer Heine-Briefmarke, 145 Jahre nach seinem Tod.

Sind beide Beispiele nicht beredter Ausdruck eines nirgends zuhause Seins? Es scheint zumindest, zumal wenn man Heines nahezu 25 letzten Lebensjahre im Pariser Exil zählt. In Frankreich, gewiß, wurde er verehrt, blieb aber immer ein 'Boche'. In seinem Testament bedankt er sich bei den Franzosen für ihre "heitere Gastfreundschaft". Nur in seiner Heimat ist man kein Gast.

Wo fühlte er sich zuhaus, der streitbare Geist, der sich über Deutsch-, Christen- und Judentum gleicherweise mit spitzer Feder ausließ? Wohl doch dort, wo der Gedanke an einen Ort ihm ein Gefühl aufdrängte: "als müsste ich gleich nach Hause gehen":

In Düsseldorf!

Versuchen wir also, wie er selbst empfahl, "aus den frühesten Anfängen die spätesten Erscheinungen" zu deuten. Heines Jugend fällt in eine Zeit großer Veränderungen: In die der Koalitionskriege zwischen den alten Monarchien und dem napoleonischen Frankreich. Als er geboren wurde, am 13.Dez. 1797, als Ältester jüdischer Eheleute, war Düsseldorf schon seit 2 Jahren von französischen Revolutionstruppen besetzt und wird es, abgesehen von einer Bayerischen Zwischenregierung, bis Nov.1813, als russische Truppen die Stadt besetzen, bleiben.

Die Mutter Peira van Geldern, die später ihren jüdischen Vornamen ablegt und sich Betty nennt, aus einer bereits lange ansässigen Arztfamilie stammend, selbst in eher aufklärerischem Geist erzogen, sollte, wie der junge Heine es formulierte, die 'Oberleitung' übernehmen, sah sie doch in einer behutsamen, doch fundierten kulturellen Assimilisation die Voraussetzung sozialen Aufstiegs, was natürlicherweise auch eine gewisse Distanz zu allem Jüdischen einschloß. Ihre 3 Söhne schickte sie ausnahmslos auf christliche Bildungsanstalten.

Vater Samson, ein Tuchhändler, aus strenggläubiger Familie, kam aus Hannover, hatte sich deshalb nicht nur um die behördliche Heiratserlaubnis, sondern auch um eine Zuzugsgenehmigung bemühen müssen, die nur mit Hilfe des Magistrats durchgesetzt werden konnte, "da die Laienführer der jüdischen Gemeinde den Zuzug eines unvermögenden auswärtigen Kaufmanns verhindern wollten", und zwar im Hinblick auf die Tributfähigkeit der zur Zwangssolidarität verurteilten Judenschaft". Dabei gab es in Düsseldorf, damals Hauptstadt des Herzogtums Berg, weder ein Judenviertel noch Ghetto.

Jüdischer Sitte folgend, bekam der junge Heine, der als Erstgeborener die 1.Namenssilbe des Großvaters Name übernimmt, den Namen Harry. Dass Nachbarskinder, Gassenjungen und Mitschüler--wie rasch fliegt einen ein Spitzname an!--daraus ein Haa-rüh! Äfften (so kommandierte der Dreckmichel ja seinen Esel), kommentierte die Mutter nur mit einem: "er solle nur suchen, viel zu lernen und gescheit zu werden, und man werde ihn dann nie mit einem Esel verwechseln".

Und als er die väterliche Auskunft, dass sein Großvater "ein kleiner Jude gewesen, der einen großen Bart hatte", den Mitschülern kundtat, da traf hinterher ihn die Schuld an deren Höllenspektakel, das sie aufgrund seines naiven Bekenntnisses inszeniert hatten. "Es waren die ersten Prügel, die ich auf dieser Erde empfing... Ich habe sie nicht vergessen". Hier wuchsen ihm die "Zähne und Tatzen des Tigers". 1803 war er noch auf der jüdischen Privatschule von Rintelsohn eingeschult worden. Doch als im Juni 1804 eine kurfürstliche Verordnung jüdischen Kindern fortan gestattete 'christliche' Schulen zu besuchen, wechselt Harry, dafür sorgt die Mutter, bereits im August in eine städtische Grundschule bevor er, im Anschluß an eine Vorbereitungsklasse, von 1807 bis 1814 das Düsseldorfer Gymnasium, das sogenannte Lyzeum besucht, doch noch vor der Reifeprüfung auf eine Handelschule wechselt. Nach jüdischer Familientradition stand für den Erstgeborenen stets die Übernahme des väterlichen Geschäfts zur Disposition. Und irgendwann auch wird der Hamburger Onkel Salomon die 'Oberleitung' übernehmen. Zahlen, und viel später, äußern: "Hätt er was gelernt, so braucht er nicht zu schreiben Bücher!" Wobei nicht vergessen werden sollte, daß Heine als Verkäufer und Vermarkter seiner literarischen Produktion äußerst geschickt verfuhr: Nicht mit dem fertigen Manuskript, sondern bereits im Vorfeld schloß er mit seinem Verleger Campe die Verträge. Und was er zuvor in der Cotta-Presse veröffentlicht hatte, fand Neuverwendung in der Campe-Buchproduktion.

Nicht weniger denn 5 Souveräne sah Harrys Jugendzeit. Und bei jedem Wechsel das gleiche Prozedere: Trompetenblasen, Fahnenschwenken, Trommelwirbel und Vivat--Rufe! "Man will uns glücklich machen", war der Kurzkommentar des kleinen Harry ob des Gelaberes mit Brimborium. Hier musste sich's ihm aufdrängen, dass es andere Dinge sind, die den Menschen mit der Heimat verbinden, denn die Fahnen, die gerade im Land herumgetragen werden. Und zudem Originalton Heine "wenn ich auf die Karte Deutschlands blicke und die Menge von Farbklecksen schaue, so überfällt mich ein wahres Grauen".

Wo sollte, nein! wo hatte der Heranwachsende die immer neuen Geborgenheiten gefunden? Im "Luftreich des Traums" seine späte Antwort. Oder, chronologisch gesehen: Im Hühnerhäuschen mit seiner 3 Jahre jüngeren Schwester Sara. Dann beim roten Sefchen, des Scharfrichters schönem Töchterchen, das s o o h viele alte Volkslieder kannte, und die er geküßt hatte. Wie er betonte: "...nicht bloß aus zärtlicher Neigung, sondern auch aus Hohn gegen die alte Gesellschaft und all ihre dunklen Vorurteile".

Trefflicher Zufluchtsort aber blieb die Bibliothek eines kauzigen Onkels der Mutter. Ausgerechnet der Mutter, die die ständige Angst plagte, er könne das Schlimmste, er könnte Dichter werden, und die, dieser Sorge wegen, mit der Wegnahme von Romanen, Theaterverbot u.ä. gegenzusteuern versuchte. Doch noch mehr denn die Bibliothek, faszinierte die Dachkammer mit dem Schmöker-Nachlass (Scharteken nannte man das damals) des 1788 verstorbenen sogenannten 'Morgenländers', der den Vorderen Orient bereist hatte; zumal sich beim Stöbern eine wahre Trouvaille, dessen Notizbuch fand, was in der Folge gar Identifikationen, Doppelgängervisionen in ihm auslösen sollte. Solche Imaginationskraft verliehen ihm übrigens auch Kupferstiche von Tieren, "weil mir solche Bilder im Gedächtnis blieben", so Heine, "daß mir manche Menschen beim ersten Anblick wie alte Bekannte vorkamen".

Zählt man noch den Eindruck, den der Einzug Napoleons in Düsseldorf auf den Dreizehnjährigen machte, sowie die Prägekräfte dreier Lehrer (im Schön- und Widerdruck) hinzu, klärt sich das Heinebild. Scheibchenweise. Hänseleien, Ungerechtigkeiten, wer hat solches nie erfahren? Nun aber, 1821, Heines Universitätsverweis wegen eines Duells, und, im Jahr darauf, die "Aufhebung der in Düsseldorf schon seit 1807/08 de jure für Juden bestehenden uneingeschränkten Bürgerrechte, und damit die Ausweglosigkeit einer Universitäts- und Beamtenlaufbahn.

Heine hatte zum Judentum ein durchaus gespaltenes Verhältnis, aber für die Rechte ihrer bürgerlichen Gleichstellung stand er ein. Mit dem Übertritt zum Protestantismus, für ihn "ein gleichgültiger Akt", wie er gesteht, glaubte er, 1825, kurz vor seiner Promotion, und von nun ab mit dem Vornamen 'Heinrich' auf dem Taufzettel "das Entréebillett zur europäischen Kultur" in Händen zu haben. Doch die Hoffnungen auf eine Staatsstellung oder Advokatur erfüllten sich nicht. Ein halbes Jahr später bekennt er: "Ich bin jetzt bei Christ und Jude verhasst". Er bleibt Außenseiter. Zerrissen zwischen zwei Identitäten, was zwei Briefe von 1822 und 1824, der 1. an seinen Jugendfreund Christian Sethe, der 2. an Rudolf Christiani nicht besser dokumentieren können.

Ich zitiere: "Alles was deutsch ist, ist mir zuwider, und du bist leider ein Deutscher. Alles Deutsche wirkt auf mich wie ein Brechpulver. Die deutsche Sprache zerreißt meine Ohren. Die eignen Gedichte ekeln mich zuweilen an, wenn ich sehe, daß sie auf deutsch geschrieben sind. Sogar das Schreiben dieses Billets wird mir sauer, weil die deutschen Schriftzüge schmerzhaft auf meine Nerven wirken".

Und nun, nach einem Durchatmen, der 2.Brief, der an Christiani:

"Ich weiß, daß ich eine der deutschesten Bestien bin, ich weiß nur zu gut, daß mir das Deutsche das ist, was dem Fische das Wasser ist, daß ich aus diesem Lebenselement nicht heraus kann, und daß ich--um das Fischgleichnis beizubehalten--zum Stockfisch vertrocknen muß, wenn ich--um das wäßrige Gleichnis beizubehalten--aus dem Wasser des deutschthümlichen herausspringe. Ich liebe sogar im Grunde das Deutsche mehr als alles auf der Welt (....), und meine Brust ist ein Archiv deutschen Gefühls".

 

Heine liebte und hasste sein deutsches Vaterland

Ja, Heine liebte sein Vaterland, litt aber zutiefst an der Zersplitterung des Landes, an den Einschränkungen politischer wie kultureller Freiheiten. Aber würde er nicht immer noch schlaflose Nächte haben, zumal "das kerngesunde Land" so im Argen!

Seine 'Reisebilder' und die 'Neuen Gedichte' waren von der römischen Indexkongregation auf den Index gesetzt worden, das hieß, dass für Katholiken bei Strafe der Exkommunikation verboten war, inkriminierte Werke zu lesen, ja nur zu besitzen. Erst seit Paul VI. gibt es nur noch die 'Mißbilligung', nicht mehr das Verbot. Sogenannte Irrlehren sollen fürderhin durch bessere Argumente bekämpft werden. Eine Auffassung, zu der sich die Kirche nun durchgerungen hat, nicht aber die Politik!

Der Ruhestörer Heine wäre noch immer gefragt. Und gefährdeter wohl mehr denn je. Botho Strauß äußerte, aus Anlaß der Heine-Preis-Groteske heuer (2006): "Wir leben gottlob noch nicht in einer Lea-Rosh-Kultur, in der sich deutscher Geist nur geduckt bewegen soll oder rückschaudernd erstarren, und jede erhobene Stirn, etwa zum Ausschauhalten, als pietätlos und mißliebig angesehen wird". Wie wohl hätte das Heinrich Heine, als unser Zeitgenosse, formuliert? Auch mit dem Vorbehalt?

Ehe wir nun Arno Brekers Bronzeporträt des jungen Heine enthüllen, sei noch kurz an die jahrzehntelange Auseinandersetzung Brekers mit dem Thema Heinrich Heine erinnert: Schon 1928, in der Pariser Zeit, hatte Breker sich in Skizzen und Entwürfen mit der Gestaltung eines Heine-Denkmals befasst. 1931 mit dem Entwurf einer porträtnahen Skulptur den 2.Preis in einem Wettbewerb der Stadt Düsseldorf erhalten, Georg Kolbe für einen 'Knienden Jüngling' (Thema verfehlt, hätte das Urteil lauten können) den vieldiskutierten ersten. Jegliche Auftragsvergabe unterblieb. Nach 1933 sowieso

Elf Jahre später, 1942, in Brekers großer Ausstellung in der Pariser Orangerie, gehörte aber auch der 'Jeune Poète' zu den Exponaten. Ende der 70er Jahre griff Breker das Thema erneut auf. Während Düsseldorf eine monumentale Heine-Totenmaske, als begehbares Objekt, angemessen fand, wurde dank der Initiative von Herrn Dr. Herman Lohausen, Brekers Heine&endash;Skulptur (für mich die herrlichste Rundplastik) in Norderney vor dem Haus der Insel aufgestellt.

Von heute an nun soll im Skulpturenhof von Schloss Nörvenich das Porträt des jungen Heine, für Breker ein, wie er sagte, "Symbol der Jugend", ein Büste Arno Breker flankieren, die zu Ehren des Bildhauers mit Unterstützung der Arno Breker Gesellschaft und des Kunst Museums schon vor Jahren aufgestellt worden war.

Hier mit Arno Breker, der Mann steten Ausgleichsuchens, abgeklärt, von so ungewöhnlich bescheidener, stiller Wesensart, der nie ein abfälliges Wort über das Werk eines Künstlerkollegen äußerte.

Dort Heine, der Provokateur, der in biedermeierlicher Behaglichkeit von einem Häuschen mit Blumen vorm Fenster und einigen schönen Bäumen vor der Tür schwärmen konnte, um dann, typisch für ihn--fortzufahren: "Und wenn der liebe Gott mich ganz glücklich machen will, lässt er mich die Freude erleben, dass an diesen Bäumen etwa 6-7 meiner Feinde aufgehängt werden. Mit gerührtem Herzen werde ich ihnen vor ihrem Tode alle Unbill verzeihen, die sie mir im Leben zugefügt. Ja, man muss seinen Feinden verzeihen, aber nicht früher, als bis sie gehenkt werden".

Dies markiert den Abstand zwischen beiden. Was Bildhauer und Dichter aber eint: Beide waren sie Brückenbauer zwischen Deutschland und Frankreich, beide sind sie Europäer dank tiefgründender Wurzeln in deutscher Sprache, deutscher Kultur. (21.08.06)

 

 

© PROMETHEUS 113/2006

PROMETHEUS, Internet Bulletin - News, Politics, Art and Science. Nr. 113, November 2006