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Holger Germann: Die Künstler Siedlung Halfmannshof

NS-Vergangenheit von Künstlern und die alte Frage: „Geht Kunst nach Brot ?"

 

Von Joe F. Bodenstein

 

Teilansicht der Anlage „Künstlersiedung Halfmannshof" in Gelsenkirchen. Eine deutsche Künstlerkolonie mit abwechslungsreicher Vergangenheit. Ihr hat der Historiker Holger Germann eine Dokumentation gewidmet

Foto: Archiv

 

Berlin/New York (bpb) Der deutsche Historiker Holger Germann hat sich in der kontroversen Diskussion über den Kunstbetrieb während der NS-Zeit ein hochinteressantes Thema ausgesucht: die Künstlersiedlung Halfmannshof in Gelsenkirchen (Bundesland Nordrhein-Westfalen). Gegründet in der Weimarer Republik hat die Institution in drei politischen Systemen bis in das heutige Jahr 2011 eine abwechslungsreiche Geschichte. An diesem eigentlich mehr regionalen Beispiel ist viel Treffendes über „damals im Dritten Reich" zu erfahren.

Liest man als ausländischer Beobachter die Aufzeichnungen, die Presseberichte und die Akten, dann wird offenkundig, dass der „HALFAMNNSHOF 2" als Künstlerkolonie in der Zeit des Dritten Reiches eine besondere Blüte erlebt hat. Dieser Eindruck ist keine politische Wertung! Es ist die Schilderung eines Sachverhaltes, der in der Weichenstellung vor der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 begründet ist. Verwaltung und heimatverbundene Künstler hatten sich damals zusammengetan, um in einem alten Bauerngehöft mit Fachwerkhäusern zeitgenössischen Kunstschaffenden verschiedener Richtungen eine Bleibe zugeben: Malern, Bildhauern, Schriftstellern, Kunsthandwerkern und Autoren.

Blättert man in den Analen wird deutlich: es waren nicht die Superstars in der Kunst der NS-Zeit, wie etwa die Starbildhauer Arno Breker, Josef Thorak oder der damalige Altmeister der Plastik, Georg Kolbe sowie jene, die ebenfalls regelmäßig im „Haus der Deutschen Kunst" in München bei den offiziellen Staatsausstellungen vertreten waren. In der Künstlersiedlung Halfmannshof wirkten ab 1933 Gründungsmitglieder weiter, gemeinsam mit einer neuen Künstlergeneration. Darunter waren gleichwohl außergewöhnliche Begabungen und solide, ehrliche Kunstschaffende.

Der Historiker Holger Germann gibt seiner im Klartext-Verlag Essen 2011 erschienen Dokumentation den Titel in Frageform „Geht Kunst nach Brot? Die Antwort überlässt der Autor zu Recht dem Leser. Dieser soll aufgrund der publizierten Dokumente jeweils für sich selbst eine Bewertung finden.

 

„NAZI-Zeit" ist ein heißes Eisen

Das Verdienst von Holger Germann ist, dass er mühevoll recherchiert hat, um eine Fülle von Unterlagen, Berichten und Fakten zusammenzutragen. Die großformatige Schrift hat das Volumen und die Akribie einer Doktorarbeit. Sie umfasst über 215 Seiten mit zeitgeschichtlichen Abbildungen.

Für deutsche Verhältnisse hat Germann mit seinem Report über die Historie der Gelsenkirchener Künstlersiedlung Halfmannshof und deren Wirken in der sogenannten Nazi-Zeit ein „heißes Eisen" angepackt. Es gab auch Kritik daran, dass man ein solches Thema 66 Jahre nach Kriegsende überhaupt „anfasst". In der deutschen Öffentlichkeit wurde und werden bis heute Einrichtungen wie der Halfmannshof nur mit übertriebener Distanz behandelt und mit Verdächtigungen belegt. So gewinnt mancher den Eindruck, Autoren handelten nach der Devi se: „Man kann über die Nazi-Zeit schreiben was man will, nur schlecht muss es sein."

Dies steht im Gegensatz zu Äußerungen des französischen Schriftstellers Roger Peyrefitte, der bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges in „freier Gesinnung" ermahnt hatte, „die Deutschen und die Franzosen sowie die USA und alle Völker haben aus dem Schicksal, das ihnen im 20. Jahrhundert zugedacht war, nur eine Konsequenz zu ziehen. Und diese Konsequenz ist: „gemeinsam den Weg der Versöhnung und der Freiheit zu gehen".

 

Titelbild der Schrift „Geht Kunst nach Brot?". Der Bildausschnitt zeigt einen kleinen Teil der Anlage mit dem historischen Fachwerkhaus aus der Gründerzeit in der Weimarer Republik.

Foto: Marco-VG, Bonn

 

Dem Autor Holger Germann ist zu bestätigen, dass seine Schrift durch die sachliche Distanz eines objektiven Historikers ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung über die „damalige Zeit" wurde. Den Zeitzeugen wird für ihre Mitarbeit und ihre Sachangaben ausdrücklich gedankt. Dass die Untersuchung publiziert wurde, ist vor allem auch dem Institut für Stadtgeschichte (Schriftenreihe Band 10) sowie der Stadt Gelsenkirchen selbst zu verdanken, welche die sogenannte Aufarbeitung deutscher Vergangenheit fördern. Die junge Generation ist nach Angaben von Pädagogen an Fallbeispielen der deutschen Geschichte interessiert.

 

Das Buch kann bestellt werden bei

Marco, Händelstr. 12, 53115 Bonn. E-Mail: Marco-VG@t-online.de . Tel. 0228 651208.

Titel: Holger Germann: Geht Kunst nach Brot?

Die Gelsenkirchener „Künstlersiedlung Halfmannshof" und deren Wirken in der NS-Zeit.

216 Seiten, broschiert. Preis: 19,95 + Porto.

 

 

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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 172, November 2011