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Alexander von Humboldt

Von B. John Zavrel

 

Denkmal Alexander von Humboldt vor der Humboldt-Universität, Berlin.

Foto: M.Brueckels

 

In unserem täglichen Leben kommen immer wieder Begriffe und Namen vor, die uns im Bereich von Wissenschaft, Kunst und Forschung irgendwie an Persönlichkeiten der vergangen Zeit erinnern. Eine dieser faszinierenden Gestalten ist der deutschen Naturforscher Alexander von Humboldt. Nach ihm ist „Der Humboldtstrom" benannt.

In der Schule haben wir einst gelernt, dass diese kalte Meeresströmung aus der Antarktis an der Westküste Südamerikas nach Norden fließt und zwar parallel zu den Anden. Der Name Humboldt wird in vielen Zusammenhängen rund um die Welt genannt. Seine Geburt- und Sterbestadt Berlin ehrt den Forscher mit der „Humboldt-Universität".

Das macht uns alles neugierig und wir fragen daher immer wieder: wer war Alexander von Humboldt?

 

Alexander von Humboldt war ein deutscher Naturforscher (1769--1859). Seine Forschungsreisen führten ihn nach Lateinamerka, in die USA und nach Zentralasien.

Sein Vater Alexander Georg stammte aus Pommern. Er war preußischer Offizier und wurde wegen seiner Verdienste im Siebenjährigen Krieg zum Kammerherrn der Kronprinzessin ernannt.

Als solcher heiratete er 1766 die Witwe Marie Elizabeth von Holwede. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor, Wilhelm (* 1767) und Alexander, der am 14. September 1769 in Berlin geboren wurde.

Die Stellung des Vaters begründete ein spezifisches Verhältnis der Humboldt-Brüder zum preußischen Königshaus: der Kronprinz, der nachmalige Friedrich Wilhelm II. war einer der Taufpaten Alexanders. Die Ehe des Thronfolgers aber wurde 1769 geschieden, und der Kammerherr von Humboldt konnte sich ins Privatleben auf Gut und Schloss Tegel zurückziehen. Sein Hauptaugenmerk galt nun der bestmöglichen Erziehung und Ausbildung der Söhne.

Auf die optimale Ausbildung der Söhne für bedeutende Posten im Staatsdienst war der ganze Erziehungsplan ausgerichtet. „Jeder Mann hat die Pflicht, in seinem Leben den Platz zu suchen, von dem aus er seiner Generation am besten dienen kann", heißt es in einem Schreiben Humboldts.

 

Sobald Alexander von Humboldt durch den Tod der Mutter 1796 zum vermögenden Erben geworden war, schied er aus dem Staatsdienst aus, um sich als Naturforscher und Wissenschaftler unabhängig zu machen. Als Ziel schwebte ihm eine Darstellung des gesamten physisch-geographischen Wissens der Zeit, zu dem er auf Forschungsreisen selbst entscheidend beitragen wollte.

Bereits am Jahresende 1796 entwickelte er seine Pläne: „Meine Reise ist unerschütterlich gewiß. Ich präpariere mich noch einige Jahre und sammle Instrumente, ein bis anderthalb Jahr bleibe ich in Italien, um mich mit Vulkanen genau bekannt zu machen, dann geht es über Paris nach England, wo ich leicht auch wieder ein Jahr bleiben könnte (…), und dann mit englischen Schiffen nach Westindien." Das umfasste im damaligen Verständnis den ganzen Raum von Mexico bis zum Amazonas.

Im Mai 1798 begab sich Alexander von Humboldt in die Weltwissenschaftsmetropole Paris, wo er in Vorträgen und Debatten sein bereits beachtliches Renommee als Wissenschaftler festigte. Hier fand er schließlich auch in dem Botaniker Aimé Bonpland jenen fachkundigen Reisegefährten, dessen Mitarbeit ihm die Durchführung seiner komplexen Forschungsvorhaben erst ermöglichen sollte.

 

Amerikanische Forschungsreise (1799--1804)

Mehrfach hatte Humboldt während der Vorbereitungszeit seine Pläne wegen politischer und kriegerischer Verwicklungen im Zeichen des aufstrebenden Generals Napoleon Bonaparte ändern und Reiseaktivitäten abbrechen müssen. Statt einer für 1798 geplanten Expedition nach Ägypten, machten sich von Humboldt und Bonpland mit sämtlichen für die Forschungsreise vorgesehenen Instrumenten auf den Weg nach Madrid--meist zu Fuß neben dem Wagen einhergehend--um für das amerikanische Forschungsunternehmen womöglich die Unterstützung der spanischen Krone zu erlangen.

Sein Ruf als Wissenschaftler und sein diplomatisches Geschick verschafften Alexander von Humboldt schon bald Empfehlungen und einen so privilegierten Forscher-Reisepass, wie ihn nach seiner eigenen Einschätzung kein Ausländer je erhalten hatte. Er sicherte ihm volle Handlungsfreiheit und das Entgegenkommen aller Gouverneure und Beamten im ganzen spanischen Kolonialgebiet.

 

Abreisedatum mit der spanischen Fregatte ‚Pizarro' von La Coruña war der 5. Juni 1799.

Humboldt schreibt in einem Brief vom selben Tag: „Ich werde Pflanzen und Fossilien sammeln, mit vortrefflichen Instrumenten astronomische Beobachtungen machen können (…) Das alles ist aber nicht Hauptzweck meiner Reise. Und auf das Zusammenwirken der Kräfte, den Einfluss der unbelebten Schöpfung auf die belebte Tier- und Pflanzenwelt, auf diese Harmonie sollen stets meine Augen gerichtet sein!"

Die Reise verlief insgesamt sehr gut. Mit an Bord nahm Humboldt rund 50 der modernsten Instrumente. Humboldts amerikanische Forschungsreise lässt im Ganzen drei Phasen unterscheiden:

 

DIE ERSTE

große Expedition führte im Februar 1800 von Caracas zum Fluss Apure und auf diesem in das Strombett des Orinoco, das stromaufwärts so weit wie möglich in südlicher Richtung befahren, um weiter südlich zum Rio Negro, vorzustoßen.

Man befuhr die Flüsse auf einer Piroge, einem mit Axt und Feuer ausgehöhlten Baumstamm von etwa 13 Metern Länge und knapp einem Meter Breite. Sie wurde von einem Steuermann und vier indianischen Ruderern betrieben. Im Bereich des Hecks war ein niedriges Blätterdach installiert, an dessen tragfähigen Teilen Käfige mit eingefangenen Vögeln und Affen hingen. Die mitgeführten größeren Messinstrumente schränkten die Bewegungsfreiheit zusätzlich ein.

Am 20. Mai 1800 erreichte die Piroge wie erwartet die Stelle, an der sich der Orinoco in zwei Arme gabelt. Damit war das wichtigste Forschungsziel dieser Expedition erreicht und die Reisenden konnten sich für den Rückweg fortbewegen. Sie folgten seinem Lauf bis Angostura (Ciudad Bolivar) und schlugen sich dann in der quälenden Hitze nordwärts zur Küstenstadt Nueva Barcelona durch, die sie am 23. Juli 1800 erreichten.

Allein, dass sie dieses 2.775 Kilometer lange Unternehmen heil überstanden (Bonpland war allerdings noch zuletzt in Angostura dem Fiebertod nahegekommen), war erstaunlich genug. Der in jungen Jahren oft kränkelnde Alexander vermeldete nach Hause: „Die Tropenwelt ist mein Element, und ich bin nie so ununterbrochen gesund gewesen als in den letzten zwei Jahren."

 

Den Gesamterfolg der amerikanischen Reise ermöglichte zudem ein unerschütterliches Durchhaltevermögen--ständig war Humboldt mit Ortsbestimmungen und Messungen aller Art beschäftigt, Bonpland mit dem Botanisieren, beide zusammen mit Skizzen und Aufzeichnungen--auch unter widrigsten Bedingungen:

„Vier Monate hindurch schliefen wir in Wäldern, umgeben von Krokodilen, Boas und Jaguaren (…), nichts genießend als Reis, Ameisen, Manioc, Pisang, Orenocowasser und bisweilen Affen. (…) In Guayana, wo man wegen der Mosquiten, die die Luft verfinstern, Kopf und Hände stets verdeckt haben muß, ist es fast unmöglich am Tageslicht zu schreiben; man kann die Feder nicht ruhig halten, so wütend schmerzt das Gift der Insekten. Alle unsere Arbeit musste daher beim Feuer, in einer indianischen Hütte, vorgenommen werden, wo kein Sonnenstrahl eindringt, und in welcher man auf dem Bauche kriechen muss. Hier aber erstickt man wieder von Rauch, wenn man auch weniger von den Mosquiten leidet."

 

 

DIE ZWEITE

große Südamerika-Expedition begann am 30. März 1801 in Cartagena an der kolumbianischen Karibik-Küste. Humboldt hatte erfahren, dass er sich der französischen Expedition unter Kapitän Nicolas Baudin an der peruanischen Küste würde anschließen können.

Auf dem Wege dahin drängte sich die Umsetzung des lang erwogenen Anden-Forschungsprojekts geradezu auf. Von Barancas Nuevas ab befuhren Humboldt und Bonpland den Rio Magdalena flussaufwärts. Nach viertägigem steilen Aufstieg erreichten sie die Anden-Hochebene und Bogotå. Für den spanischen Vizekönig erstellte Humboldt unter anderem ein Gutachten über die Silbergruben und die Goldproduktion Kolumbiens.

Die Fortsetzung des Weges über die Anden gestaltete sich äußerst beschwerlich: „Dicke Wälder liegen zwischen Morästen; die Maultiere sinken bis auf den halben Leib ein; und man muss durch so tiefe und enge Schlüchte, dass man in Stollen eines Bergwerks zu kommen glaubt. Auch sind die Wege mit den Knochen der Maultiere bepflastert, die hier vor Kälte oder Mattigkeit umfielen."

 

Zum Forschungsschwerpunkt wurden nun Vulkane in einem Gebiet Ecuadors, das Humboldt wegen deren Vielzahl als „ Allee der Vulkane" bezeichnete.

Den Pichincha bestieg Humboldt zweimal, zuletzt begleitet von einem heftigen Erdbeben, dessen Stöße er sorgfältig protokollierte. Nicht ganz bis zum Gipfel gelangten Humboldt und Bonpland am 23. Juni 1802 bei der Besteigung des Chimborazo (6.310 Meter) wegen einer unpassierbaren Felsspalte 400 bis 800 Meter unterhalb des Kraters.

Gleichwohl blieb dies auf 30 Jahre ein Höhenweltrekord für Bergsteiger. Dabei litten sie unter den Symptomen der Höhenkrankheit: Schwindel und Brechreiz, Blutungen aus Lippen und Zahnfleisch.

Bald darauf erforschte die Expedition den Oberlauf des Marañon im Quellgebiet des Amazonas und nach neuerlichem Aufstieg in die Anden die Überreste der Inkastätten in der Umgebung von Cajamarca. Sie entdeckten und überquerten den magnetischen Äquator. Als sie nach ihrer vierten Anden-Überquerung am 23. Oktober 1802 in Lima ankamen, war auch dieses zweite große Forschungsunternehmen erfolgreich beendet.

 

DIE DRITTE PHASE

Der geplante Anschluss an die französische Expedition des Kapitäns Baudin wegen dessen Routenänderung war nicht mehr möglich. Erneut musste also umdisponiert werden.

Am 23. März 1803 in Acapulco begann der letzte große Abschnitt von Humboldts amerikanischer Forschungsreise, während der er mit Bonpland ein Jahr in Mexico verbrachte.

Dabei wurde der Reiseweg von Acapulco über Mexiko-Stadt &endash;- bis Veracruz an der Atlantikküste barometrisch vermessen und so ein Höhenquerschnittsprofil Mexikos für diesen wichtigen Bereich angelegt. In Mexiko-Stadt sammelte Humboldt Material für sein landeskundliches Werk über das Königreich Neu-Spanien (mit Beschreibungen der politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen sowie weitreichenden Bevölkerungsstatistiken), das dann ebenso zu einem Grundstein der modernen wissenschaftlichen Geographie werden sollte.

Abgeschlossen wurde die große Amerika-Expedition mit einem Besuch in den USA, wo Humboldt auch aufgrund seiner intensiven Reisekorrespondenz bereits höchste Anerkennung als Forscher und Wissenschaftler genoss. Unter anderem, er verbrachte drei Wochen als Gast des Präsidenten Thomas Jefferson in Washington D.C. und Philadelphia.

Am 3. August 1804 betraten Humboldt und Bonpland in Bordeaus wieder europäischen Boden.

 

Dass ein Privatmann eine solche Forschungsreise gänzlich aus eigenen Mitteln bestritten hatte, war beispiellos. Humboldts Vermögen war um ein Drittel vermindert, und es sollte in den drei folgenden Jahrzehnten, in denen er sein Reisewerk in 30 Bänden verfasste und in Druck gab--das größte je erschienene private Reisewerk überhaupt--gänzlich aufgebraucht werden.

In Paris, wo er den Anschluss an die wissenschaftliche Entwicklung der vergangenen fünf Jahre suchte und fand, wurde ihm von seinen Forscherkollegen ein grandioser Empfang bereitet und jede Unterstützung bei der Klärung fachwissenschaftlicher Probleme zugesagt. Humboldt nutzte für die Erstellung seines Reiseberichts ein ganzes Wissensnetzwerk. Dafür und auch für die bestmögliche verlegerische Qualität des Reisewerks war Paris der geeigneteste Ort.

Von November 1805 an setzte er seine wissenschaftliche Arbeit in Berlin fort, mitverfolgend den militärischen Zusammenbruch Preußens bei Jena und Auerstedt 1806, die nachfolgende Besetzung Berlins durch die Franzosen und die Plünderung von Schloss Tegel.

Der als Reformer an die Regierungsspitze berufene Freiherr vom Stein veranlasste daher im November 1807 eine diplomatische Gesandtschaft nach Paris, unter Führung des Prinzen Wilhelm, Bruder Friedrich Wilhelms III. Zum Berater des Prinzen bei dieser Mission wurde Alexander von Humboldt berufen, der so Gelegenheit erhielt, die Arbeit an seinem Reisewerk am bestgeeigneten Ort wieder aufzunehmen.

Daheim wurde Alexander von Humboldt sogleich zum Motor und Kristallisationskern einer aufstrebenden Wissenschaftsszene. Seine an der Universität begonnenen Vorlesungen im Rahmen eines sehr weit gefassten geographischen Horizonts waren so stark besucht und nachgefragt, dass er sie alsbald in der tausend Zuhörer fassenden Sing-Akademie als freie Vorträge fortsetzte. Unter seinen Hörern war hier vom König bis zum Handwerker ein breites gesellschaftliches Spektrum vertreten. Es gelang es ihm, sein deutsches Publikum in allgemein verständlicher, bildreicher Sprache zu faszinieren und das Interesse für erdkundliche und naturwissenschaftliche Fragen anzufachen.

Gedenktafel Berlin am Standort des einstigen Wohnhauses. Vernichtet bei Angriffen im 2. Weltkrieg (England und Russland)

Foto: Wikipedia

 

Das Lebenswerk als reisender Feldforscher lag nun hinter ihm. Vor ihm die Perspektive, neben seiner wissenschaftlichen Arbeit die höfische Gesellschaft, die Tafel des Königs mit seinen Kenntnissen und Anekdoten geistvoll unterhalten zu sollen.

Bei Hofe beruhte Alexanders Stellung allein darauf, dass er die Gunst sowohl Friedrich Wilhelms III. als auch Friedrich Wilhelms IV. besaß. Seine politischen Ansichten wurden zwar auch von ihnen belächelt, seine Leistungen und sein Renommee als Vorzeigewissenschaftler aber hochgeschätzt.

Humboldt machte aus seiner Lage weiterhin das Beste--unterdessen bereits für die nachfolgenden Generationen--indem er nicht nur seine wissenschaftliche und publizistische Arbeit fortsetzte, sondern aufgrund seines enorm verzweigten Beziehungsgeflechts weit über Preußen und Deutschland hinaus zum wichtigsten Koordinator wissenschaftlichen Mäzenatentums und der Förderung von Nachwuchsforschern wurde.

Als Friedrich Wilhelm IV. 1842 den Orden „Pour le mérite" für Kunst und Wissenschaft stiftete, machte er Humboldt zu dessen Kanzler und folgte bei der Berufung der 30 deutschen und 25 ausländischen Mitglieder zumeist seinen Vorschlägen.

Insgesamt achtmal bis 1848 wurde Alexander von Humboldt von seinen Königen auch zu diplomatischen Missionen herangezogen. Sein bekannt weltmännisches und verbindliches Auftreten, seine Sprachmächtigkeit und fesselnde Erzählkunst ließen ihn rasch zum Mittelpunkt jeder Gesellschaft werden.

Sein Wissenshorizont und die Fähigkeit, ihn zu kommunizieren, müssen in höchstem Maße faszinierend gewesen sein, wenn Goethe seinem Herzog schrieb: „Man könnte in 8 Tagen nicht aus Büchern herauslesen, was er einem in einer Stunde vorträgt."  

Wissenschaftliche Feldforschung betrieb er in Physik, Chemie, Geologie, Mineralogie, Vulkanologie, Botanik, Vegetationsgeographie, Zoologie, Klimatologie, Ozeanographie und Astronomie. Er korrespondierte bei der Erstellung seines publizistischen Werkes mit vielen internationalen Spezialisten der verschiedenen Fachrichtungen.

In Deutschland erlangte er vor allem mit den Ansichten der Natur und dem Kosmos außerordentliche Popularität. Sein hohes Ansehen spiegelt sich in Bezeichnungen wie „der zweite Kolumbus", „wissenschaftlicher Wiederentdecker Amerikas" und „der neue Aristoteles".

 

 

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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 173, December 2011