Von B. John Zavrel
Ein historisches Dokument: Ausweiskopie: Wehrmacht des Deutschen Reiches. Personalausweis für Sanitäts-Soldat Hans Helmut Jansen. Ausgestellt am 5. Februar 1945 auf Schloss Nörvenich. Es wurde genutzt als Verbandsplatz für im Hürtgenwald kämpfende Wehrmachts-Angehörige.
Foto Marco-VG, Bonn
Nörvenich (bpb) Als Schloss Nörvenich im Jahr 1980 von der Familie Bodenstein erworben wurde, waren keinerlei schriftliche Dokumente über die Geschichte des alten Adelssitzes im 20. Jahrhundert im Gebäude zu finden. In den Wirren eines geschichtlich bewegten Jahrhunderts mit drei politischen Systemen (Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittes Reich unter Adolf Hitler und Bundesrepublik Deutschland mit dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer) waren Aufzeichnungen und Dokumente der wechselnden Besitzer offensichtlich für immer abhanden gekommen. Oder vielleicht bewusst vernichtet worden?
Umso wertvoller für die Geschichte der heutigen Großgemeinde Nörvenich (Kreis Düren, NRW), des Kreises Düren und der Region ist der Bericht eines Zeitzeugen, der wenige Wochen vor dem Untergang des Dritten Reiches im Schloss Nörvenich als junger Sanitäts-Soldat in dem zum Notlazarett gewordenen Baudenkmal Dienst leistete. Es ist der später langjährige Direktor des Pathologischen Instituts des Klinikums Darmstadt, Professor Dr. med. Hans Helmut Jansen, geboren am 17. Juni 1926 in Bochum.
In einem Brief aus Darmstadt an Schlossherrn John Gilbert Bodenstein mit Datum vom 29. November 1994 schrieb der ehemalige Sanitäts-Soldat mit der Feldpost Nummer 03566 wie folgt:
Sehr geehrter Herr Bodenstein !
Von der Reise in den Hürtgenwald zurück, beeile ich mich, Ihnen noch einiges über die Kriegszeit von Schloss Nörvenich zu berichten. Ende Januar/Anfang Februar 1945 war ich zu einem einwöchigen Lehrgang als Sanitäter in Ihrem Schloss. In ihm war der Hauptverbandsplatz der 353. Infanteriedivision. Wir waren nur fünf oder sechs Kursteilnehmer. Die Prüfung nahm der Divisionsarzt Dr. Schneider abschließend ab, der auch obigen Ausweis ausgefertigt hat.
Ich habe auch noch das Häuschen gefunden, in dem ich für die Kurswoche untergebracht war. In Ihrem Schloss operierten damals zwei Chirurgen: Stabsarzt Dr. Reckmann, ein vorzüglicher Chirurg, der vor dem Krieg an der Universitätsklinik Münster gelernt hatte, und Oberarzt Dr. Schulte, der &endash; wie wir erfuhren &endash; bei dem Stabsarzt erst das Operieren gelernt hat. Einmal assistierte ich bei der Operation eines Beines mit Amputation und hatte plötzlich das amputierte Bein in den Händen.
Wohin ich damit sollte, war meine Frage. In die Aschentonne", lautete die Antwort.
Ich war damals Medizinstudent des 1.Semesters und 18 Jahre alt. Erinnerlich ist mir auch, dass ein Panzerunteroffizier durch Versehen beim Zeigen der Pistole der Filia hospitalis die Augen ausgeschossen hat. Das Jammern des Mädchen war unbeschreiblich, und der Uffz. War ganz verzweifelt und hat dem Mädchen die Ehe versprochen. Es war blind. Auch Dr. Schmidt in Gelsenkirchen erinnert sich an diesen Vorfall. Dieser war Feldunterarzt (also kein klin. Semester) und länger in Ihrem Schloss als ich. Ihm verdanke ich auch die Namen der beiden Ärzte. Vor einigen Wochen trafen wir uns in meiner Heimatstadt Bochum. Dieses zur Verinnerlichung" der damaligen Zeit.
Ihr Schloss hat mich außerordentlich beeindruckt: dieses glanzvolle Museum mit dem Interieur und dem Flair. Gratulator. Ein Nachteil für den Reisenden ist wohl, dass e mit Zug und Bus schlecht zu erreichen it. Ich bin froh, dass ich Sie selbst bei dem Abstecher habe kennen lernen dürfen. Mit freundlichen Grüßen Ihr H.H. Jansen
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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 174, January 2012