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Papst Benedikt XVI und seine „Verräter"

Beim Heiligen Vater ist der Teufel los: „Vatileaks" im Vatikan

 

Von mea-Korrespondent Joseph F. Bodenstein

 

 

Papst Benedikt XVI, gut gelaunt in seinem Papamobil, umgeben von engen Vertrauten und Beschützern. Damals ahnte noch niemand, dass sein Butler Paolo Gabriele (vorne links) einmal in Untersuchungshaft kommt unter dem Verdacht, er habe vertrauliche Schriftstücke des Papstes an Medien gegeben.

Foto: press-pool

 

Rom (mea).Papst Benedikt XVI. hat große Sorgen. Er sieht sich in Italien seit Wochen mit einer Medienkampagne konfrontiert, in der illegal aus dem Vatikan beschaffte Dokumente publiziert werden. Darunter sind nach italienischen Medienberichten auch Notizen des Heiligen Vaters von seinem persönlichen Schreibtisch. Hinzu kommen Briefverkehr über Personalpolitik und Anschwärzungen gegen hohe geistliche Würdenträger des Kirchen-Staates. „Im Vatikan ist der Teufel los", beklagen Pilger auf dem Petersplatz die verworrene Situation. Der Papst lasse sich jedoch von Angriffen dieser Art nicht einschüchtern, betonte Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bartone in einem TV-Interview mit dem Sender RAI. Die Kampagne sei durch „Vatileaks" möglich geworden.

Realisten haben immer schon gewusst, dass im Vatikan keine Engel wohnen. Doch das Hinausschmuggeln von Schriftstücken des Papstes kommt einen Verrat gleich. Die Vorgänge zeigen auch, welchem Sicherheitsrisiko der Papst ausgesetzt ist. Es erhebt sich die Frage: wer ist der Judas und wo tarnen sich die Verräter. Man stelle sich vor, wenn so etwas im White House in Washington oder im Kreml in Moskau passieren würde.

 

Zur Arbeit des Heiligen Vaters gehören Reisen, Gespräche und Begegnungen mit Politkern sowie Menschen unterschiedlicher Nationalität. Fast immer dabei ist sein persönlicher Sekretär, der deutsche Priester Georg Gänswein (rechts im Hintergrund). Er kennt die Befindlichkeiten des Papstes und könne auf Reisen oftmals „seine Gedanken lesen", heißt es.

Foto: roma-press

 

Papstvertraute unter den Verdächtigten

Aus der kirchlichen Gerüchteküche ist zu hören, dass selbst Vertraute des Papstes unter dem Verdacht stehen und solche Papiere möglicherweise den Medien zuspielten. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone verurteilte die Veröffentlichungen als "heftige" und "organisierte" Angriffe.

Bertone ist in der Vatikan-Hierarchie die Nummer zwei nach dem Papst. Mittlerweilen steht Bertone wegen seines Führungsstils selbst in der öffentlichen Kritik. Es gilt als möglich, dass die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente zum Rücktritt des Kardinalstaatssekretärs führen soll. Ins Gerede ist auch der Privatsekretär des Papstes gekommen, Georg Gänswein. Er ist eine der ganz wenigen Personen, die Zugang zu den Privatgemächern des Papstes haben. Der 56-jährige Priester aus dem Schwarzwald ist seit 2005 Privatsekretär des Papstes, mit dem er bereits vorher seit 1996 eng zusammen gearbeitet hatte.

 

Der Butler sitzt im Untersuchungsgefängnis

In diesem administrativen Durcheinander hat man im Juni 2012 vorerst den Butler des Papstes als Verdächtigen ausgemacht: Paolo Gabriele. Er wurde in Untersuchungshaft genommen. Kritiker meinen, der Butler müsse als „Sündenbock bei den Machtkämpfe im Vatikan" herhalten. Während die Ermittlungen in alle Richtungen laufen, erfüllt der Papst sein umfassendes und anstrengendes Arbeitspensum wie üblich. Er verbringt den Sommer in seiner Residenz Castel Gandolfo bei Rom. Von Urlaub kann dabei wohl kaum die Rede sein, denn er hat jeden Tag Termine. Er hat entschieden, in dieser Zeit die Generalaudienzen im Sommersitz abzuhalten, wie das sonst im Petersdom der Fall ist.

 

Papst Benedikt XVI., der Heilige Vater aus Deutschland, gibt sich auf seinen Reisen bescheiden und liebenswürdig. Das Bild zeigt ihn auf seinem Staatsbesuch in den USA mit Präsident George W. Bush.

Foto: us-archive

 

Skandalbuch „Eure Heiligkeit…"

Man könnte fast annehmen, dass der ganze Medienrummel nur entfacht wurde, um das Skandalbuch „Eure Heiligkeit…" (Sua Santita) des Journalisten Gianluigi Nuzzi zu verkaufen. Nuzzi, der sich seit Januar 2012 mit der so genannten Affäre Vatikan befasst, hat auf 300 Buchseiten die bisherigen Erkenntnisse und Gerüchte zusammengetragen.

Bücher und Texte über und gegen die Katholische Kirche sowie ihre Repräsentanten gibt es seit Jahrhunderten. Sie haben zum Teil große Verwirrungen gestiftet, jedoch die Kirche nicht von ihrem Kurs abgebracht.

Zu den kritischen Publikationen des 20. Jahrhunderts gehört der Roman „Die Schlüssel von Sankt-Peter" („Les Clés de Saint-Pierre") des französischen Schriftstellers Roger Peyrefitte. Der frühere Grandmaster des Alexander-Orden pour le Merite für Wissenschaft und Künste hatte es 1983 in deutscher Sprache bei Goldmann in München publiziert. Damals hatte die Schilderung von Geschehnissen hinter den Türen des Vatikans dem Schriftsteller noch einen kirchlichen Bann eingebracht. Heute ist die Kurie erfahrener in solchen Dingen: sie missachtet solche Publikationen.

 

 

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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 178, June 2012