Meisterliche Porträts von Arno Breker: Die Schriftsteller Ernst Jünger und Ezra Pound (USA) sowie Salvador Dali. Alle dargestellten Personen haben Breker persönlich model gestanden (Copyright: MARCO-VG, Bonn).
Das Porträt ist die künstlerische Darstellung eines Menschen, vor allem seines Gesichtes in der Malerei und des gesamten Kopfes in der Bildhauerei. Ein Porträt hat grundsätzlich den Anspruch zu erfüllen, dass es ein Ebenbild der dargestellten Person ist. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Person der Gegenwart über den Tod hinaus in einem Bildnis vergegenwärtigt wird. Die große Konkurrenz des künstlerischen Porträts ist im XX. Jahrhundert die Fotografie geworden. Heute ist es eigentlich kinderleicht, ein Gesicht "zu knipsen" und ein Porträtfoto selbst anzufertigen. Jedoch bleibt--trotz phantastischer technischer--Möglichkeiten nur das Porträt aus Bronze und Stein der beste Garant dafür, den Dargestellten "unsterblich" zu bewahren.
Die Geschichte des Porträts geht viele Jahrtausende zurück. Bereits sehr lange vor Christi Geburt sind Bildnisse entstanden. Form und Ausdruck richteten sich nach dem jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungsstand und der handwerklichen Begabung der Menschen. Eine Blütezeit des Porträts gab es in der Antike. Die vermehrte Darstellung des menschlichen Antlitzes und des Porträts des ganzen Körpers hatte stets den wesentlichen Sinn: die Vergegenwärtigung von bedeutenden Gestalten der Mythologie und der Zeitgeschichte. Götter, Gelehrte, Könige, Fürsten, Kriegsherren waren die begehrten Motive. Zu allen Zeiten haben jedoch Künstler auch unbekannte Menschen ihrer Zeit aus Familie und Nachbarschaft in Figuren, Zeichnungen und Gemälden verewigt.
Inzwischen ist das fotografische Porträt zu einer eigenen Kunstgattung geworden. Mit ihr sind Namen verbunden wie Man Ray (Paris), Andy Warhol (New York), Philippe Halsmann und Helmut Newton, um nur einige der Stars zu nennen. Sie sind im Jahr 2002 auf dem Kunstmarkt die teuersten.
Aktuell besteht Interesse am Porträt vor allem in der plastischen Form. An zweiter Stelle kommen Gemälde und Zeichnungen. Büsten in Bronze oder Stein von Männern und Frauen sind besonders repräsentativ und werden von staatlichen Stellen, Unternehmen und kirchlichen Auftraggebern bevorzugt. Sie eignen sich vor allem für die Aufstellung in offiziellen Gebäuden, Firmensitzen, Kirchen und auf öffentlichen Plätzen. Für den Privatmann kommt wiederum mehr das Gemälde und die Zeichnung in unterschiedlichem Format in Frage. Diese Art der Darstellung ist--schon wegen der geringeren Herstellungskosten--finanziell günstiger.
Ungeachtet der Tatsache, dass sich in vergangenen Jahrhunderten vor allem Päpste, Kaiser, Könige, und Diktatoren porträtieren ließen, ist das Interesse für die Büste groß. Der demokratische Staat in Deutschland zeigt jedoch über 50 Jahre nach Kriegsende viel zu wenig Traditionsbewusstsein. Das Problem ist gleichzeitig, genügend auch handwerklich begabte Künstler zu finden.
Aus dem XX. Jahrhundert sind vor allem die Bildhauer Auguste Rodin, Charles Despiau, Aristide Maillol und Arno Breker im Bewusstsein. Während Maillol in seinem Werk als "Porträtist der jungen Frauen" angesehen wird, hat Breker die Porträtkunst zur höchsten Blüte geführt. Über 300 Bildnisse gestaltete der Meister. Darunter befinden sich Bildnisse folgender Persönlichkeiten: Reichspräsidenten Friedrich Ebert (Deutschland) , Bundeskanzler Konrad Adenauer und Ludwig Erhard, Kaiser Haile Selassie (Äthiopien), Anwar El Sadat (Ägypten), Leopold Sedar Senghor (Senegal) sowie zahlreiche Künstlerfreunde wie Salvador Dali, Ernst Fuchs, Max Liebermann. Aus der Wirtschaft ist alles dabei, was zu dieser Epoche Rang und Namen hatte, von Oetker bis Schickedanz und Wolff von Amerongen.
Diese hohe Tradition des Bildnisses führen in Europa im XXI. Jahrhundert der Bildhauer Kurt Arentz (Büsten von Ronald Reagan, George Bush, Herbert von Karajan, Kardinal Frings) sowie der Bildhauere Mirko Donst (Büsten Salvador Dali, Gala Dali, Hannelore Kohl, Boxweltmeister Henry Maske, Heinz Galinski) gekonnt fort.
Weitere Porträts der Künstlerfreunde von Arno Breker: Der Maler Maurice de Vlaminck (Belgien), der Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann (Deutschland) und das Multitalent Jean Cocteau (Frankreich). Die herausragenden Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts bleiben in den Bildnissen besonders der Nachwelt bewusst. (Copyright: MARCO-VG, Bonn).
Das Porträt und die Abstraktion
Das Porträt spielte auch in der abstrakten Kunst eine wichtige Rolle. Dabei ist nicht die Erkennbarkeit, sondern die Interpretation das Kriterium. Einprägsame Beispiele sind von den Gemälden Pablo Picassos bekannt. Seinen Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler hat Picasso unverkennbar in Zeichnungen festgehalten, einschließlich der abstehenden Ohren. Wie bei den meisten Picasso-Porträts muss auch bei den Porträts von Jean Fautrier und Henry Moore meist dabei stehen, wen sie darstellen sollen.
Im Zwischenbereich bewegt sich Henry Matisse. Dagegen sind die Postmodernen Pierre Yves Tremois und Graham Sutherland in ihren auf Striche und Linien reduzierten Formen Repräsentanten der klassischen Tradition mit unverkennbaren Merkmalen. Der Österreicher Oskar Kokoschka hat sich wiederholt als Porträtist versucht und Gemälde von Adenauer und Erhard gefertigt. Sie sind ein Beispiel für die grundsätzliche Frage: Will jemand von einem in den Medien prominenten Künstler verzerrt und "entstellt" porträtiert werden oder von in der Kunstwelt geachteten Künstlern und Künstlerinnen, die das begehrte und von späteren Betrachtern geforderte Kriterium der Erkennbarkeit erfüllen.
So hatte Helmut Schmidt als Bundeskanzler den Kulturgremien einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht, als sie in die "Ahnengalerie" deutscher Regierungschef im Bundeskanzleramt Bonn ein Porträt Willy Brandt "hineinlobten", das Georg Meistermann fertigte. Der Kunstprofessor verstand sich auf bunte Kirchenfenster. Dieses an einen "apokalyptischen Reiter" erinnernde blut-rote Brandt-Bild seines Amtsvorgängers ließ SPD-Kanzler Schmidt schließlich entfernen. Der erste SPD-Bundeskanzler Brandt wurde schließlich neu und naturalistisch gemalt. Heute gehört das Brandt-Porträt zur Staatssammlung und hängt im neuen Bundeskanzleramt in Berlin gegenüber dem Reichstagsgebäude.
Die Faszination des Gegenwärtigen
Mehr als künstlerische Experimente mit Draht und Formfragmenten, mit Porträtbildern der verschiedensten Mischtechniken, Filzstifte und Fotokollagen fasziniert die Mehrheit der Menschen das Bildnis in seiner Schönheit. Das abstrakte Porträt wird eher von einer Elite von Intellektuellen und Kunstkritikern bevorzugt.
Die Antike hat uns Porträts hinterlassen, die heute--nach Jahrtausenden--noch tief beeindrucken. Darunter sind die imaginären Götter-Bilder, die dem Ideal menschlichere Darstellung nähe kommen. Es sind aber auch konkrete Menschen-Bildnisse, die der Künstler in Marmor und Bronze schuf, um die Verewigten selbst--den Göttern gleich zu gestalten.
Wir finden Gefallen an den Bildnissen der Kultur der Ägypter, Hethiter, Perser. Es sind fernöstliche Darstellungen religiöser Bildnisse wie des Buddha, der Götterwelt der Hindus, aber es sind auch Zeugnisse der Inkas und der Indianer, die uns neugierig machen und uns in ihren Bann ziehen.
Hauptträger der Entwicklung des Porträts war das imaginäre Bildnis der Gottheit, dann des Herrschers, des König. In der ägyptischen Kunst, die das Wesen des Dargestellten wiedergeben möchte, wird nach Ansicht von Experten der persönliche Ausdruck mehr angedeutet.
Die Griechen wiederum stellten den Menschen mit idealisierten Zügen dar. Sie suchten die Gottgleichheit. So ist auch bei den von ihnen erstmals geschaffenen Porträts von Dichtern und Denkern die Ähnlichkeit im abbildlichen Sinne nur begrenzt angestrebt. Die hellenistische Kunst steigerte die menschliche Erscheinung ins Heroisch-Pathetische. Gleichzeitig erfasste sie mit einem meisterlichen Naturalismus die jeweilige Persönlichkeit "römische Kunst" zielte bewusst darauf ab, das getreue Abbild des Menschen wiederzugeben. Wenn sich römische und griechische Elemente verbinden, wird auch das Porträt in der Römerzeit erhöht. Es erhält heroische Züge und wird verschönt.
Im Christentum wurde zuerst auf die Ähnlichkeit eines Porträts weniger Wert gelegt. Jedoch kommen Juden- und Christentum in ihrer Wertevermittlung ohne die bildliche Darstellung nicht aus. Der Maler Marc Chagall hat im XX. Jahrhundert in seinen Illustrationen zur Bibel die Porträts der legendärer und historischen Gestalten neu interpretiert.
(Copyright: Prometheus 83/2002)