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Erinnerung an den Maler Gustav Zindel

Der Künstler war sehr gottesfürchtig--An Ruhm und Ehre war ihm nichts gelegen

 

Von Elfriede Zindel-Haberzettel

 

 

Gustav Zindel: Regenbogen über Fantasielandschaft mit Bäumen am Teich. Buntstiftzeichung, Sammlung Europäischen Kultur Stiftung EKS, Berlin

© Foto Zindel-Archiv, Marco VG, Bonn.

 

Berlin(bpb). Der Sudetendeutsche Maler Gustav Zindel (1883--1959) hat ein beachtliches Werk hinterlassen. Vieles war über Jahre hinweg verschollen. Dank der zahlreichen Sammler konnte ein Teil über die wirren Zeiten von Krieg und Vertreibung gerettet werden. Die älteste Tochter des Künstlers, Elfriede Zindel-Haberzettl, hat nach dem Tod des Künstlers die Bewahrung seines Gedenkens vorbildlich unterstützt.

So kam 1994 eine hochrangige Ausstellung im Egerland-Museum Marktredwitz (Deutschland) zustande. Sie wurde in Zusammenarbeit mit dem Museum Karlsbad (Karlevarské muzeum, Tschechien) gestaltet Sie hatte den Titel: Gustav Zindel--Bilder vom Volksleben. Im Katalog zur Ausstellung erinnert sich Elfriede Zindel an ihren Vater. Sie schrieb:

 

„Mein Vater war ein sehr naturverbundener Mensch. Abgesehen davon, dass er Erbe der elterlichen Landwirtschaft war und somit viel Kontakt zur Natur hatte--galt es doch zu Saisonzeiten den Pinsel mit Pflug oder Sense zu vertauschen--so war es eine Angewohnheit von ihm, wenn er unterwegs war, immer einen Zeichenblock und einen Bleistift bei sich zu haben. Wenn ihn etwas faszinierte, ob es ein besonderer Baum oder Strauch war, oder aufkommende Gewitterwolken, oder ein schöner Sonnenuntergang, malte er mit einigen strichen eine kleine Skizze und schrieb Notizen dazu, um sie dann bei Gebrauch ins Gedächtnis zurückzuholen.

Er las gerne Bücher über die Natur und Menschen wie etwa Watzlik, Stifter, Ganghofer, Keller. Aber auch Karl May konnte ihn faszinieren. Schließlich war er auch Verwalter der Gemeindebücherei und führte die Heimatchronik.

Er war auch ein sehr heimattreuer Mensch. Sein Spruch lautete: Wer die Heimat freiwillig verlässt, ist ein Schuft! Er konnte es nicht fassen, als wir am 24. September 1945 den Bettlern gleich von Haus und Hof vertrieben und zur Zwangsarbeit in die Tschechei transportiert wurden. Kummer, Gram und Sorgen um die verlorene Heimat und das zurückgebliebene Hab und Gut brachten ihm schlaflose Nächte. Das Heimweh machte ihn ganz krank, so dass wir um ihn bangen mussten. Ein deutschsprachiger Förster schenkte ihm eine Schachtel Pastellstifte und er begann wieder zu malen. Sein seelischer Zustand besserte sich allmählich.

Als er 1947 eine Reise nach Rodenau in die alte Heimat unternahm, kam er enttäuscht zurück. Alles hatte sich verändert. Es war nicht die Heimat, die er verlassen hatte.

Von 1948 bis 1949, bis kurz vor seinem Tod, war er unermüdlich in seinem Schaffen. Er hatte immer Aufträge, allerdings viele Wiederholungen. Zum Beispiel den „Bergmanns-Segen", der fast in jedem Haus hing, die Quinauer Kirche, das Tischgebet und so weiter. So äußerte er sich oft: „Das hat mit Kunst nichts mehr zu tun." Er tat es aber trotzdem gerne, um den Unterhalt seiner Familie zu sichern, da er keinerlei Rente bekam.

 

Das Atelier war in der Schlafstube

 

 

Die Zindel-Baude, Atelier und Herberge

Bleistiftzeichnung von Gustav Zindel- Sammlung Europäische Kultur Stiftung EKS

© Zindel-Archiv, Marco-VG,Bonn

 

An Winterabenden saß er mit uns Kindern manchmal in der Ecke hinterm Kachelofen und erzählte uns Geschichten von Erdmännlein, vom kleinen Muck und auch aus seiner Studienzeit in Nürnberg, von schönen Brunnen und Burgen, und von seiner Zimmerwirtin, die er einmal heimlich zeichnete, als sie über einer Näharbeit saß. Als er ihr die fertige Zeichnung gab, war sie sehr erbost und schimpfte ihn aus: „Ein altes Weib malt man nicht."

Sie zerknüllte das Blatt und warf es in den Kohlekasten, wo es Vater wieder unbemerkt herausholte und fein säuberlich ausbügelte. Durch Zufall haben wir diese Zeichnung nach der Vertreibung von aufmerksamen Nachbarn erhalten. (Zeichenblätter meines Vaters waren von Hausplünderern verstreut worden. Gute Nachbarn haben einige Zeichnungen aufgesammelt und uns später wieder gegeben.)

Während seiner Studentenzeit in Nürnberg plagte ihn oft das Heimweh, so dass er nach abgeschlossenem Semester das Angebot seines Professors, ihm bei einem größeren Wandgemälde behilflich zu sein, abschlug. Er bereute es aber später, denn zu Hause hatte er anfangs als Maler kaum Arbeit.

Zunächst diente die Schlafstube im elterlichen Haus gleichzeitig als Malstube. Als er heiratete und die Familie sich vergrößerte, musste Abhilfe geschaffen werden. Es ergab sich, dass er das Haus in Rodenau Nr. 18 kaufen konnte. Er ließ es umbauen in ein Gasthaus, „Die Zindel-Baude", die er verpachtete.

Es wurden sieben Fremdezimmer eingerichtet mit Bauernmöbel, die er selbst bemalte, jedes Zimmer mit anderen Motiven. Auf der Nordseite des Hauses richtete er sich ein Atelier ein. Hier wurde er oft von Einkehrgästen besucht und erhielt dadurch immer wieder neue Aufträge. Für das Mannesmann-Werk in Komotau malte er ein großes Ölbild „Pferdefuhrwerk im Schneesturm", welches nach Indien geschickt wurde. Ein weiteres ging nach London.

Zu seiner Arbeit trug er meist eine blaue Schürze, so dass er einmal von einem Feriengast, der ihn bat, einen Krug Wasser zu holen, für den Hausmeister gehalten wurde. Er erfüllte ihm ohne weiteres diesen Wunsch. Als er am Abend in der Wirtsstube den Gästen als Kunstsammler vorgestellt wurde, war jener Gast entsetzt und entschuldigte sich vielmals.

Wenn mein Vater Gustav Zindel unterwegs war, hatte er immer einen Rucksack und einen Spazierstock dabei. Seine Kleidung bestand meist aus einer Art Trachtenjacke mit grünen Aufschlägen und Hirschhornknöpfen, Kniehosen, gestrickten Gamaschen und einem Filzhut. Am Feierabend gönnte er sich immer eine Pfeife und blies zur Freude von uns Kindern Rauchringe in die Luft. Musik und Gesang hörte er sehr gerne. Er selbst war aber unmusikalisch.

Er war ein sehr besorgter Familienvater. Als die Söhne erwachsen waren und sich motorisierten, verbrachte er manche schlaflose Nacht, wenn sie sich verspäteten. Er malte sich in Gedanken die schlimmsten Ereignisse aus.

Mein Vater war sehr gottesfürchtig. Er ging auch in die Kirche. An Ruhm und Ehre war ihm nichts gelegen. Trotz großer Anerkennung bleib er ein einfacher, bescheidener Mensch."

 

Copyright 2002 Prometheus 83/2002/EKS-Zindel-Archiv, Marco-VG

 

 

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Nr. 83, Summer 2002