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The secret life of Marc Chagall

Der jüdische Maler und die Deutschen--Die ersten Graphiken entstanden in Berlin--Begegnung mit Arno Breker

von Edwige Soder

 

The painter Marc Chagall writing a dedication for his friend Arno Breker.

 

Paris (aa)--The secret life of Marc Chagall --Das geheime Leben des Marc Chagall--umfasst Dinge, die für seine Freunde und Verehrer der Kunst dieses faszinierenden Malers höchstinteressant sind. Es ist leider eine wenig erörterte Tatsache, dass der zum Weltruhm gelangte jüdische Maler Chagall eine besondere Beziehung zu Deutschland hatte. Die Deutschen haben nach Kriegsende ab 1945 mehr als alle anderen Kunstliebhaber Werke von Chagall gekauft. Darüber hat er sich besonders gefreut.

Die ungewöhnliche Affäre Chagalls mit den Deutschen begann jedoch bereits in den 20er Jahren. In Berlin hatte Chagall seine ersten graphischen Arbeiten hergestellt. Dort wurde er von dem jüdischen Kunsthändler Paul Cassirer gefördert, der auch ein Augenmerk auf den jungen Arno Breker geworfen hatte.

Chagalls Weltkarriere führte mit über Deutschland. Und das kam so:

Chagall wurde am 7. Juli 1887 Witebsk im damaligen Weißrussland geboren. Nach seiner künstlerischen Ausbildung während der Zaren-Zeit in St. Petersburg zog er 1910 nach Paris. Chagall war 23 Jahre, als er seine Arbeit an der Seine begann. Ein Jahr später bezog er in das Atelierhaus "La Ruche". Der hübsche junge Mann mit dem lockigen Haaren verkehrte vor allem in jüdischen Kreisen. Dort lernte der Junggeselle bereits Prominente kennen, die ihn weiter brachten. Dazu gehörten die Dichter Max Jacob und Guillaume Appolinaire.

"Ich kannte eine Menge Leute, aber hatte kaum Geld zum Leben", erinnerte sich Chagall später. Mir erzählte er: "Ein Glück war, dass ich durch Appolinaire den deutschen Kunstfreund Herwarth Walden kennen lernte."

Das muss im Jahr 1913 gewesen sein. Schon kurze Zeit später &endash; im April 1914 &endash; arrangierte Walden in seiner Galerie "Der Sturm" in Berlin die erste Einzelausstellung Chagalls. Das war ein großes Privileg.

Der Aufenthalt in Berlin weckte wieder die Sehnsucht Chagalls nach seiner dörflichen Heimat in Russland. Berlin lag sozusagen auf halber Strecke zwischen Paris und Witebsk. 1915 heirate Chagall in Moskau die Jüdin Bella Rosenfeld, 1916 wird die Tochter Ida geboren.

 

Arrangement mit den Kommunisten misslang

Chagall versucht sich nach der kommunistischen Oktoberrevolution mit den neuen Machthabern zu arrangieren. Er wurde 1918 sogleich "Kunstkommissar" im Gouvernement Witebsk. Dieser Funktionärsposten galt als ein mächtiges Amt in der Sowjetunion mit der Aufgabe, das Kulturschaffen der Kaiserzeit auszurotten. Es kam jedoch zu Spannungen und Streit mit Funktionären. Chagall gab auf. Er übersiedelt 1920 nach Moskau. Dort fristete er über ein Jahr als Zeichenlehrer in Kriegswaisenkolonien bei Moskau sein Leben.

Die wundersame Rettung aus wirtschaftlicher Not und politischem Elend brachte die Ausreise nach Deutschland. Das Jahr 1922 nannte Chagall später im Freundeskreis ein besonderes Glücksjahr, das für die Zukunft entscheidend war. Es führte über Berlin. Chagall hatte endgültig die Sowjetunion verlassen.

Die deutsche Hauptstadt Berlin mit einer großen blühenden jüdischen Gemeinde war die erste Station für seine erfolgreiche Zukunft. Nun interessierte sich der einflussreiche Kunsthändler Paul Cassirer für Chagall. Er gab ihm den Auftrag, mindestens 20 Illustrationen für die Autobiographie "Mein Leben" zu machen. Den Text hatte Chagall ein Jahr davor in Moskau verfasst. Chagall musste zur Erfüllung des Auftrags erst graphische Techniken lernen. Der damalige Experte Hermann Struck unterwies ihn im Umfang mit Metallplatten, Ätzungen und dem Stichel.

"Ich nutzte auch die Gelegenheit, viel von Deutschland kennen zu lernen", erinnerte sich Chagall später. Er reiste mit der Bahn in den Süden des Landes. Besonders der Schwarzwald gefiel ihm. Gute Eindrücke verband er auch mit Reisen nach Thüringen und nach Bad Blankenburg.

 

Butterbrot und Wodka auf einer Bahnreise nach Berlin

Auf einer solchen Reise vom Schwarzwald nach Berlin kam es 1922 zu einer aus heutigen Sicht ungewöhnlichen Begegnung.

"Es kam ein junger Mann in den Zug, der fragte schüchtern, ob noch ein Platz frei ist. Dabei waren lediglich nur noch zwei alte Damen im Abteil", wunderte sich Chagall später.

"Er setzte sich mir gegenüber und holte nach kurzer Fahrt ein Essenspaket aus seiner Tasche. Wie unter alten Bekannten bot er mir etwas an. Es roch so schön nach frischem Butterbrot. Ich konnte und ich wollte nicht ablehnen. Ich hatte nämlich Hunger."

Chagall revanchierte sich nach seiner Schilderung jedoch unverzüglich.

"Ich hatte eine kleine Flasche mit Wodka bei mir. Wir tranken auf unsere Gesundheit." Dabei stellte man sich vor.

"Aron?" fragte Chagall. "Nein, Arno. Das kommt von Arnold", sagte der Gegenüber. " Chagall hatte die Silben verdreht und aus Arno den ihm vertrauteren biblischen Namen Aron gemacht.

Er antwortete: "Ich bin der Marc." Dann radebrechte er in deutsch und jiddisch weiter.

Chagall war aufgefallen, dass der Fremde ebenfalls eine Zeichenmappe mit sich führte. Es wurde ihnen rasch klar, dass beide die ähnliche Profession hatten.

 

Diese Geschichte erzählte mir Chagall 1950, als er begann, bei dem berühmten Drucker Fernand Mourlot in Paris sich auf die Herstellung von Lithographien zu konzentrieren. Es war die Geschichte der ersten Begegnung des 22-jährigen Bildhauers Arno Breker mit dem 35-jährigen Maler Chagall.

"Ich zeigte Breker einige Abdrucke meiner Radierungen für Cassirer", erzählte Chagall. Darunter befanden sich Blätter wie "L'Homme aux Favoris"(Man with sideburns" und "L'Homme barbue assis, avec une Violon sur le Bras" (Bearded man seated with violin under his arm).

Breker frage: "Warum ist alles so dunkel und traurig, warum ohne Farbe?"

"Nix Geld, nix Farbe. Zu teuer", sagte Chagall.

"Da sehen Sie mal, wie es einem Bildhauer ergeht. Ein Bronzeguss kostet nämlich viel mehr als Papier und Farbe für Graphik", klagte Breker.

 

 

Mourlot druckt für Chagall und Breker

Es mag an der unterschiedlichen Karriere der beiden Künstler in gegensätzlichen politischen Systemen liegen, dass diese Beziehung junger Jahre von beiden Seiten geheim gehalten oder verdrängt wurde. Chagall machte als französischer Staatsbürger in den USA Karriere. Er kam erst 1947 nach Paris zurück.

Arno Breker erhielt nach den Olympischen Spielen von 1936 in Berlin Staatsaufträge zur Gestaltung der Reichshauptstadt nach den Plänen des Architekten Albert Speer.

Die Verbindungen Chagalls zu Deutschland rissen nie ab. Er war vor dem Krieg wiederholt in Deutschland. Im Jahr 1925 gab es eine wichtige Ausstellung im Kunstverein Köln am Rhein, wo Breker in den Kreisen bedeutender Kunstsammler etabliert war und mit Max Ernst verkehrte. Im Gleichen Jahr zeigte die Galerie Arnold in Dresden Arbeiten von Chagall.

 

Ein Jahr vorher kam es in Paris zu einer Absage Chagalls an Max Ernst sowie den Dichters Paul Eluard und seiner Frau Gala (der späteren Frau Salvador Dalis), sich den Surrealisten anzuschließen. Chagall lehnte ab und wollte unabhängig sein. "Mein Aufenthalt in Deutschland und der erste Erfolg haben mich stark und selbstbewusst gemacht", erzählte mir Chagall in den 50er Jahren.

Ähnlich wie bei Henry Moore, war die imaginäre Beziehung Chagalls zu Breker ein Bewusstseinsdialog auf Distanz. Chagall erfuhr von Mourlot, dass Breker im Alter von 73 Jahren sich ebenfalls verstärkt für die Lithographie interessiert. Sowohl Mourlot als auch Chagalls Meisterdrucker Charles Sorlier betreuten die Lithographien, die Breker im Atelier von Mourlot machte. (AA12111975)

 

(© PROMETHEUS 4/11/2001)

 

 

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Nr. 81, Winter 2001