Mathias Richling könnte auch Shakespeare spielen

Der Kabarettist mit dem hellen Kopf und der schnellen Zunge

spielt stets vor ausverkauftem Haus

von Joe F. Bodenstein

 

 

"Ich bin stets so gut und so schlecht

wie es mein Publikum ist"

 

 

Der Schauspieler und Autor Mathias Richling bei seinem Gastspiel im Kabarett DieWühlmäuse, Berlin November 2001

 

Berlin (bpb) Er ist ein Multitalent und könnte von der Begabung und Sprache auch in Stücken von William Shakespeare spielen: Mathias Richling.. Der Schauspieler mit dem jugendlichen Temperament gehört zu den klügsten Köpfen des deutschen Kabaretts. Am Anfang des 21. Jahrhunderts ist er der begabteste und mutigste des politischen Kabaretts in Europa überhaupt. Themen wie USA, Kriege, Juden, Menschenrechte sowie reich und arm sind keine Tabus.

"In der Demokratie ist es besonders wichtig, dass das Kabarett auch die Herrschenden kritisiert", sagte Richling in einem Interview mit "Prometheus" in Berlin. "Alles was ich sage und rüge, ist nachprüfbar. Ansonsten würde ich mich ja juristisch um Kopf und Kragen bringen."

Die Basis für seine verbalen Attacken sind das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die nicht gehaltenen Wahlversprechen der Parteien und die "menschlichen Versagen" von Persönlichkeiten der Staats- und Regierungsspitze. Das Publikum dankt Richling mit Beifall. So spielt er im Kabarett "Die Wühlmäuse" in Berlin wieder vor Ausverkauftem Haus. Bereits vor Beginn der Abendveranstaltungen wurden die Eingangstüren des Theaters geschlossen. Es gab keine Karten mehr.

Zwischendurch ist so mancher Politiker sauer auf Richling. Doch politische Kritik an seinen Vorträgen hat Richling stets gut überstanden. Ja er hat sogar Preise und Auszeichnungen erhalten. "Aber am meisten freut es mich, wenn die Leute bei meinen Auftritten nicht nur lachen, sondern auch etwas besinnliches mit in den Alltag nehmen", sagte Richling in dem Interview.

Die Nation freut sich auf die TV-Auftritte

Die in Deutschland populäre TV-Sendung "Scheibenwischer" des Alt-Kabarettisten Dieter Hildebrandt ist für die Zuschauer eine besondere Attraktion, seit Mathias Richling regelmäßig dort auftritt. In dieser nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten und heute dienstältesten Sendung dieser Art des Deutschen Fernsehens sorgt er dafür, das die Bürger "mehr Durchblick" über nationales und globales Geschehen erhalten. Rote, Schwarze, Linke und Rechte bekommen gleichermaßen eins hinter die Löffel.

"Egal wo das politische Herz eines Kabarettisten schlägt, er muss hinter die Kulissen sehen und aufdecken", sagt der forsche Mann mit dem Lausbubenblick. In Tausenden Auftritten im ganzen Land erprobt, betreibt er sein Geschäft aus Leidenschaft. Aus dem bereits in Schulveranstaltungen mit 16 Jahren agierenden Burschen mit dem einst begehrten Kussmund ist eine gefürchtete "schwäbische Maultausche" geworden. "Die SPD und die Grünen sind inzwischen so Rechts geworden, dass es kein Wunder ist, wenn Kabarettisten als links gelten", scherzt Richling. "Allein die Wahrheit über Politprominenz zu verbreiten, das hat viel Unterhaltungswert."

Philosophieprofessor als Alternative

Richling ist der Sohn eines Ingenieurs und einer Mutter aus Hannover. Er wuchs im schwäbischen Endersbach auf. Nach dem Abitur studierte er Literatur, Philosophie, Geschichte, Musikwissenschaft und Schauspiel. Er hätte sich auch als Philosophieprofessor seine Brötchen verdienen können. "Als Philosophieprofessor, das wäre mir sicherlich zu langeilig geworden."

Was Richling als Schüler bei Bunten Abenden und Betriebsfeiern schauspielerisch begann setzte er nach dem Studium fort. Mit 19 Jahren bekam er sein erstes längeres Engagement um Stuttgarter "Theater der Altstadt". Von da an begann seine Karriere.

"Ich bekam nichts geschenkt. Fleiß, Ausdauer und Disziplin haben mir geholfen, Chancen zu nutzen", erinnert sich Richling. Unterdessen hat er bis zu 300 Auftritte im Jahr und mehr Einladungen als er schaffen kann. Dass sich das Publikum immer noch nicht satt gesehen und gehört hat liegt offensichtlich daran, dass Richling immer wieder Themen aufgreift, die den Menschen auf der Seele liegen: Kirche, Papst, Religionen, Sex, Politik, Frieden, deutsche Einheit sowie die Laster und Eigenschaften von Politgrößen.

Liebe zu Dalis Werk, Musik und Kunst

Ein Glück für Richlings Verehrerschar ist, dass er im Privatleben nicht so politisch links steht, wie er sich auf der Bühne gibt. Zu seinen Freunden gehört unter anderen der italienische Bildhauer Bruno Bruni. Er gestaltete Bühnenbilder für Auftritte seines Freundes. Der jüngste Plakatentwurf für Richlings Veranstaltungen stammt von dem jungen Maler Stefan Miteff.

Richling liebt neben alten Meistern und ausgewählter moderner Kunst vor allem das Werk von Salvador Dali sowie die Photographie. Der Bildhauer Mirko Donst soll demnächst ein Porträt von Richling gestalten. Richling selbst mag &endash; neben seiner Arbeit -Theater, Musik, Kunst sowie Lebenskultur im allgemeinen. Er textet und verantwortete unter anderem die Soloprogramme "Dass Fernseh' bled macht", "Reden Sie! &endash; Jetzt rede ich" und "Wie viel Demokratie ist es bitte?"

Literaturkritiker Hellmut Karasek sagte, was Richlings Kabarett so aufregend mache ist, "dass er "nicht mit souveräner Komik über den Dingen steht, sondern dauernd mit seinen Nerven am Ende ist, geistig unter die Räder kommt". Richlings Bewusstsein "zeigt die Einschlaglöcher, die der politische und gesellschaftliche Alltag bei uns hinterlassen müsste, wenn es mit rechten Dingen zuginge".

Gegen eine solche Interpretation könne er nichts einwenden, schmunzelte Richling in dem Interview. Und schließlich schrieb er handschriftlich noch an alle Kabarettfreunde:

 

 

(© PROMETHEUS 4/11/2001)

 

 

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Nr. 81, Winter 2001