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Das Porträt Moissey Kogan

Erinnerungen an einen Jüdischen Bildhauer in Paris

 

By B. John Zavrel

 

 

Moissey Kogan, Portrait of the artist by Arno Breker, 1927, Paris

(© Photograph Marco-VG, Bonn)

 

Paris (bpb) Wenn man in Paris Ausstellungen und Galerien durchstreift, dann ist heute kaum etwas zu finden von einem Künstler, der in dieser Weltmetropole der Kunst einmal gelebt hat: Moissey Kogan. Geboren wurde Kogan 1879 als Sohn eines kleinen jüdischen Händlers in Orgjejeff in Bessarabien, dem heutigen Rumänien. Durch die Hilfe von jüdischen Verwandten konnte er um 1900 in Paris Fuß fassen. Dort gehörte er zu den hochbegabten, jedoch wirtschaftlich wenig erfolgreichen Künstlern.

Um so wertvoller ist heute die Existenz einer Büste Kogans, die der junge Bildhauer Arno Breker 1927 in Paris fertigte. Kogan war damals bereits 48 Jahre, also 21 Jähre ältere als Breker. Die Büste befindet sich jetzt in der Sammlung des Museums Europäische Kunst in Schloss Nörvenich bei Köln. Dort hatte sie der Autor Dr. Hermann Lohausen entdeckt und in seiner Publikation "Der Porträtist--Arno Breker " veröffentlicht. So ist dieses Zeugnis einer Künstlerfreundschaft ebenso öffentlich dokumentiert wie etwa die Büste von Max Liebermann und die Totenmaske Liebermanns. Breker hatte sie in der NS-Zeit 1935 im Sterbehaus Liebermanns am Pariser Platz in Berlin, unweit des Brandenburger Tors, abgenommen..

Moissey Kogan sei ein bescheidener, erdverbundener Künstler gewesen, erinnerte sich Breker (1900-1991). Er habe bei ihm keine Neidgefühle gegenüber anderen Künstlern beobachten können, die kommerzielle erfolgreich waren. "Kogan hat immer auf den großen Durchbruch gehofft", schilderte Breker. Mit seinem Weggang von Paris über Rom nach Deutschland habe man sich aus den Augen verloren.

Picasso-Kunsthändler Daniel Henry Kahnweiler schilderte Kogan als "nicht einfach". In einem Gespräch mit Breker-Editeur Joe F. Bodenstein sagte Kahnweiler 1975 auf Befragen, Kogan habe im Vergleich zu Picasso sehr langsam gearbeitet. "Er hatte .selten das fertig, was ein Käufer wollte. Und dann gibt es Probleme für den Kunsthändler", sagte Kahnweiler. Mit Künstlern, die nicht dauerhaft verlässlich seien, könne man keine Karriere voranbringen.

Kogan zog sich ab dem 50. Lebensjahr immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Anfang der 30ere Jahre hieß es sogar, er sei schon gestorben. Die Schweizer Kunstsammlerin Edwige Soder hörte davon, dass sich Kogan während des Zweiten Weltkriegs zurückzog um als Jude der Verfolgung zu entgehen. Gleichzeitig habe er sich dem französischen Widerstand der Ressistance gegen Deutschland anschloss. Es gilt als möglich, dass Kogan 1942 in einem deutschen Arbeitslager starb. Die historische Aufarbeitung dieses Lebensweges dauert an.

 

Der Traum von großen Skulpturen

 

 

Moissey Kogan: Nude. Charcoal drawing 1927, Paris.

(© Photograph: Archive-Kogan/VG-Marco)

 

Es war Kogans innigster Wunsch, auch große Skulpturen zu schaffen. So, wie Auguste Rodin (Die Bürger von Calais, Monument Balzac) oder Aristide Maillol. Dieser erklärte große monumentale Frauenfiguren zu Denkmälern für bedeutende Leute. Doch fehlten Kogan für diese Träume Auftraggeber. Er hatte auch nicht das Geld, um aus eigener Kraft solche Werke zu finanzieren.

So tat er schließlich das, was er sich leisten konnte. Er zeichnete seine Skulpturenvisionen auf Papier bis zu zwei Meter Höhe. Diese Entwürfe konnte er zusammenrollen und platzsparend aufbewahren, manchmal auch verkaufen. Bevorzugtes Zeichenmotiv war bei Kogan der Akt, vor allem weiblich. Er benutzt zum Zeichnen Kohle, Kreide und Rötelstifte. Das entsprach der Tradition von Auguste Renoir, Maillol, Charles Despiau, und Rodin..

Für die bildhauerischen Arbeiten nutzte Kogan vor allem auch Ton und keramisches Material. Damit konnte er seine Skulpturen von kraftvoller Erotik formen. Wie sein Landsmann Constantin Brancusi (1876 Pestisani, Rumänien--1957, Paris) versuchte sich Kogan auch am Holz. Eine solche Skulptur war nämlich in der Herstellung günstiger als Bronzen. Es entfielen die Formkosten und die Ausgaben für den Guss.

Eines Tages zeigte Kogan seinem Besucher Breker voller stolz einen riesigen Baumstamm, den man vor sein Atelier geschleppt hatte. Irgendwo in der Nähe war ein Baum in Wind und Regen umgestürzt. Kogan sicherte sich das Holz wie eine Beute. Dann teilte er den Stamm mit Strichen in die entsprechende Länge der geplanten Skulpturen, die er daraus gewinnen wollte.

Als Breker im darauf folgenden Frühjahr wieder zu Kogan kam, war der Baum beseitigt. In freudiger Erwartung wollte Breker wissen, was es denn für Figuren geworden seien. Doch von Kunstwerken war nichts zu sehen. "Alles schon verkauft", fragte Breker ?

Kogan schüttelte den Kopf und zeigte auf den Eisenofen im Atelier. "Der Baum hat sich durch diese kleine Tür einfach davon gemacht", sagte der Bildhauer. "Aber er hat mir die Wintermonate erwärmt."

 

(© Prometheus 82/2002)

 

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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, Politics and Science.

Nr. 82, Spring 2002