Von Joe F. Bodenstein
Zürich - Die einzige noch in der Tradition von Ernst Barlach und Käthe Kollwitz arbeitende Künstlerin hat am 20. Juli 2000 ihren 80 Geburtstag gefeiert: Renate Stendar-Feuerbaum. Mit dem Jubiläum hat die "alte Dame der Skulptur" den Umzug von Zürich nach Hamburg abgeschlossen. Jetzt wohnt sie in Hamburg an der Elbe. "
Hier will ich mein Alterswerk fortführen", sagt die schlanke Frau mit den klugen Augen. Nach großformatigen Skulpturen und Reliefs, die sich mit dem Menschen in seinem Glauben und Hoffen sowie sakralen Themen beschäftigten, kehrt sie in der künstlerischen Gestaltung nun zur kleinen Form zurück. Mit dem 80. Geburtstag und dem Ortswechsel beginnt ein neuer Lebensabschnitt.
Stendar-Feuerbaum ist eine Künstlerin der Stille. Ohne spektakuläre Aktionen beschäftigt sie sich seit Jahrzehnten mit sozialkritischen Themen, wie einst Barlach und Kollwitz. In der NS-Zeit war sie zu jung, um zu den für "entartet" erklärten Künstlern gezählt zu werden. Sie unterscheidet sich von ihnen auch durch die Vielfalt ihrer künstlerischen Gestaltungskraft und ihre modernere Auffassung. Das kommtvor allem in ihrer Malerei zum Ausdruck.
Die Angst vor Krieg und Elend, Flucht und Vertreibung sowie die Zerstörung durch die Atombombe haben viele ihre Werke bestimmt. Arbeiten mit vertraut klingenden Namen wie "Der Blinde", "Die Engel" oder "Der letzte Mensch" hat sie ergänzt mit apokalyptischen Themen. Doch trotz Mahnungen und Befürchtungen dominiert die Hoffnung im sakralen Schaffen, das in Kirchen und Sammlungen in europäischen Ländern sowie Übersee besichtigt werden kann. Auch das US-Museum of European Art in Clarence im Staat New York gehört dazu.
Künstlerin fand ihren "Romeo" vor 53 Jahren
Geboren am 20. Juni 1920 als Renate Feuerbaum in Dortmund (Deutschland) beschäftigte sie sich bereits als Schülerin und im Gymnasium mit der Malerei und bildnerischen Arbeiten. Nach dem Studium
an der Kunstakademie Düsseldorf wirkte sie von 1947 bis 1957 als Ausstatterin klassischer und moderner Inszenierung für Schauspiel und Oper an verschiedenen Bühnen. Ihre Heirat mit dem Schauspieler Wolfgang Stendar vom Schauspielhaus Zürich bestärkte sie in der Laufbahn.
Sie hatte den Schauspieler in der Bühnenrolle des Romeo kennen gelernt. Das war vor 53 Jahren "Liebe auf den Ersten Blick". Das hat sich bis heute nicht geändert. Es sei eine positive Ergänzung, "wenn
zwei Menschen auch durch Interessen für Kunst verbunden sind", sagt sie. Ihr Mann Wolfgang Stendar, ein sehr sympathischer Schauspieler mit einer angenehmen Stimme, pflichtet ihr bei.
Nach der Heirat wurde die Schweiz ständiger Aufenthaltsort der Künstlerin. 1966 wandte sie sich ganz der Bildhauerei zu. In Jahren beharrlicher Arbeit entstand ein breit gefächertes Werk voll Besinnlichkeit, Poesie und Frohsinn. Es fand in europäischen Ländern und in den USA bei Ausstellungen sowie auf internationalen Kunstpräsentationen Beachtung.
Frauen haben es schwerer in der Kunst
Dass es Frauen in der Kunst traditionell schwerer als Männer haben, war für Stendar-Feuerbaum kein Grund aufzugeben. "Ich gestaltete, was ich gestalten musste", erinnert sich Stendar-Feuerbaum in einem Gespräch. "Kunst von Bestand hat sich nie nach dem Zeitgeist und nach dem Kommerz gerichtet". Sie erinnert in ihrer Haltung an andere bedeutende Frauen der Kunst: die Malerin Leonor Fini, die Bildhauerin Rene Sintenis und die besagte Käthe Kollwitz. Glückhaft ist, dass es zwei wichtige Bildbände über das Werk von Renate Stendar-Feuerbaum gibt.
In dem Bildband "Bilder und Skulpturen" würdigt der Kunsthistoriker Roy Oppenheim, die Werke. Sie geben die Kunde von "einer tiefen und aufschürfenden Auseinandersetzung mit der Unrast und Ruhelosigkeit aber auch mit der Gegensätzlichkeit der Zeit, die sich im unmittelbaren Nebeneinander von Aufbau und Zerstörung von Paradies und Hölle, von Leben und Tod erleben lässt". Beispiele seien die Skulpturen "Wohin", "Der Zauberlehrling" und "Der verratene Prometheus".
Der weitere Bildband "Skulpturen und Bilder" informiert über das eindrucksvolle malerische Oeuvre. Dabei besticht die Symbolik, die Farbkraft und die Intensität der Kompositionen.
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