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Uwe Möller würdigt Bildhauerin Elfriede Luise Vogel

Laudatio im Kunst Museum Schloss Nörvenich 2010

 

 

Elfriede Luise Vogel (rechts) stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit bei der Eröffnung der Museumsausstellung 2010 mit ihren Werken. Bildhauer Kurt Arentz (links), ein international erfolgreicher Porträtist, war unter den Ehrengästen. Für die Laudatio von Uwe Möller und die Künstlerin gab es herzlichen Beifall.

Copyright: Foto Marco, Bodenstein

 

 

Berlin/Stuttgart/Düsseldorf (bpb) Die Bildhauerin Elfriede Luise Vogel wird 2010 mit einer Jahresausstellung im Museum Europäische Kunst geehrt. Zur Eröffnung in Anwesenheit der Künstlerin würdigte der ehemalige Präsident der Arno Breker Gesellschaft, Uwe Möller (Stuttgart), Wirken und Werk der Bildhauerin und Lyrikerin. Bis 31.Oktober 2010 ist die Ausstellung im Kunstmuseum Schloss Nörvenich zu sehen, das auch das „Museum Arno Breker" beherbergt. Die Retrospektive von Elfriede L. Vogel in Nörvenich (Kreis Düren) findet im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen (Landeshauptstadt Düsseldorf) statt.

 

Die Rede von Uwe Möller hat folgenden Wortlaut:

 

Elfriede Luise Vogel

 

„Wie freue ich mich, dass ich diese schöne Ausstellung des Werkschaffens von Frau Elfriede Luise Vogel gerade hier in Schloss Nörvenich offiziell eröffnen darf.

Habe ich Schloss Nörvenich doch, gemeinsam mit Prof. Arno Breker, noch in seinem ruinösen Zustand kennen gelernt, aber auch den von der Familie Bodenstein ausgerichteten Geburtstagsempfang zu Arno Brekers 90.Geburtstag in diesem wiedererstandenen Kleinod miterlebt. Das war vor 20 Jahren.

Für Frau Vogel, 1922 in Marburg a. d. Lahn geboren, Mutter von 5 Kindern, der Mann schwerkriegsversehrt, musste die Lebenswirklichkeit immer im Mittelpunkt stehen.

Die „Spielwiese für Gedanken, Fantasie und Sprachgefühl", wie sie ihr lyrisches Schaffen allzu bescheiden bezeichnete, hat sie sich dennoch stets bewahrt.

Dass Frau Vogel zur Bildhauerei fand, geschah nach der Totgeburt ihres 6.Kindes: Als die Familie an dem kleinen Grabhügel stand, waren es die geschwisterlich-sehnsüchtigen Klageworte ihrer Jüngsten: „Ich hätte es so gern einmal gestreichelt". Ein bewegender Satz.

Das „Schläferchen" in Ton entstand, damit der Dreijährigen „Augen und Händchen ein Ziel" bekamen.

Die unerwartete Begabung für räumliches Sehen ließ Frau Vogel, nach Einweisung durch die Bildhauer Klein und Hoffmann, dann auch das ‚Schläferchen' bildhauer-gerecht im Sandstein entstehen.

In dem Gedicht ‚Das Werk', das Sie noch zu hören bekommen, schildert Frau Vogel dies Unterfangen.

 

Ob Einzelfigur, ob Gruppe, ob Bildnis: Frau Vogel plastische Schöpfungen sprechen den Betrachter &endash; mal spontan erfreuend, mal zur nachdenklichen Zwiesprache einladend--immer unmittelbar an.

Da bedarf's keines Begriffsschwulstes, nie eines heute so beliebten überkandidelten interpretatorischen Vokabulars.

 

Da die Ausstellung viele Werke umfasst, die man der Kleinplastik zuordnet, möchte ich in der Folge deren Stellenwert--dass Kleinformatiges durchaus Großes auch--verdeutlichen.

 

 

Kleinplastik hat eine lange Tradition

Kleinplastiken stehen in einer über 30.000jährigen Tradition bildnerischer Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Lebenswelt. Die ältesten Kunstwerke der Menschheit, die gerade hier in Deutschland, in den Höhlen der Schwäbischen Alb gefunden wurden, sie legen beredt Zeugnis ab.

Denken Sie an das 1932 in der Vogelherdhöhle gefundene‚ Wildpferd', eine Skulptur, die Kunstkennern, anhand Abbildungen, durch ihre unübertreffliche Ausdruckskraft vertraut ist. Überrascht ist man, dass diese Vollkommenheit gerade handtellergroß. Auch die jüngsten Funde, im vergangenen Jahr in der Großen Landesausstellung Baden-Württemberg 'EISZEIT/Kunst und Kultur' gezeigt: ob Mammut, Löwenkopf oder Wasservogel, sind von solch geringen Abmessungen wie großer Ausdrucks-wucht. Gearbeitet aus Elfenbein, einem Werkstoff der in den germanischen Ländern erst mit Arbeiten der Karolingischen Kunst aus den Klosterwerkstätten von Lorsch, Metz, Reims, St. Denis und St. Gallen wieder Bedeutung fand.

 

Holz hat als Werkstoff gewiss von Anfang an auch eine Rolle gespielt, und mit der Bewahrung des Feuers schließlich auch der Ton--als Terrakotta, gebrannter Erde, die in den Tanagra-Figürchen eine Blütezeit erlebte.

Doch nur Stein und schließlich der Bronzeguss ermöglichten den Schöpfungen Dauer zu verleihen.

 

Besteht auch zwischen Groß- und Kleinplastik kein grundsätzlicher Unterschied &endash; geordneter Aufbau, einheitliche Formensprache und Ausdruckskraft sind beiden gemein--den größten Formenspielraum allerdings hat die Kleinplastik, denn mit der Größe der Formate mindert sich das Verhältnis zwischen lastenden Massen und der Festigkeit des Werkstoffs. Baut der Künstler eine schlanke Tonfigur auf und kennt er in seiner Schaffenslust kein Innehalten, wo Statik Zwischenhalt gebietet, so tendiert seine Figur--und das auch nur bestenfalls--in die Breite, gerät sozusagen aus den Fugen.

 

Terrakotta-Kleinplastik muß sich selbst tragen, darf sich nicht wie römische Marmor-Kopien griechischer Bronzebildwerke marmorner Stützen bedienen. Kleinplastik schließt ihrem Wesen nach jedes Schludern aus. Handwerkliche Voll- oder Unvoll-kommenheit wird noch im Detail augenfällig, lässt nicht der Bauplastik Möglichkeiten: dem Betrachter nicht sichtbare Stellen unbearbeitet zu lassen. Kann man eine Kleinplastik in Händen, diese nicht allseits und geruhsam aus jedem Blickwinkel betrachten, so lässt sie sich, ist sie schwerer, mit gleicher Muße umrunden. Ob als vollplastische Arbeit, ob als Relief: Auge und Tastsinn des Künstlers entgeht nichts.

Auch hat die Kleinplastik nicht die Befangenheit der Großplastik, die sich im Regelfall dem Humoristischen wie innig-Traulichem verschließen muss, weshalb Darstellungen mit Kindern und Haustieren eine Domäne des kleinen Formats.

Die formgewordene Selbstvergessenheit wie die Nachdenklichkeit eines Kindes--wie können sie ergreifen!

 

 

Trägerin des Ehrenrings

1996 wurde Frau Vogel letzte Trägerin des Ehrenrings für bildende Kunst.

2001 sollte ihr der Kulturpreis der Stadt Hürth verliehen werden, blieb ihr aber vorenthalten ob ihrer Wertschätzung des künstlerischen Schaffens von Prof. Arno Breker schon von Jugendjahren an.

An Frau Vogel Besuch in Arno Brekers Atelier erinnert die handschriftliche Widmung des 22 Jahre älteren Meisters: „Meiner lieben apollinischen Schwester Elfriede Vogel herzlich gewidmet. Für die künstlerische Arbeit weiterhin Erfolg. Arno Breker, 20.Oktober 79".

 

Hierzu nur, zum Abschluß, ein nachdenkenswerter Nachtrag: Computer haben Rechtschreibprogramme. Vermutet der PC eine Unrichtigkeit, dann wird der Begriff gekennzeichnet. Apollinisch, gleichbedeutend mit „den griechischen Gott Apoll betreffend/ harmonisch/maßvoll" ordnet der PC die ‚Rote Karte' zu; dionysisch, der Gegenbegriff: das Rauschhafte, das Ungezügelte--aber wird akzeptiert! Spiegelbild unserer Zeit?!

 

Uwe Möller

Schloss Noervenich, 2010

 

(Siehe auch www.europaeische-kultur-stiftung.org , Schloss Noervenich in Wikipedia, www.museum-arno-breker.org )

 

 

© PROMETHEUS 156/2010

PROMETHEUS, Internet Bulletin - News, Politics, Art and Science. Nr. 156, June 2010