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Josef Thorak: Im Gedenken des 125.Geburtstags

Erinnerung an einen der bedeutendsten Bildhauer des XX. Jahrhunderts

 

Von Uwe Möller

 

Josef Thorak in seinem Atelier. Er sitzt auf einer Werkbank und ist umgeben von Figuren. Das Gemälde schuf der mit ihm befreundete deutsche Maler Fritz Erler (* 15. Dezember 1868 in Frankenstein (Schlesien), Ý 11. Dezember 1940 in München).

© Foto Thorak-Archive, Marco-VG

 

Berlin/Salzburg (bpb) Der Vater war ein aus Ostpreußen stammender Töpfermeister. Der Junge wurde ein bedeutender Bildhauer. Geboren wurde der Junge am 7.Februar 1889 in Wien; die Kindheit verbrachte Josef Thorak indes im Salzburger Kloster Edmundsburg. Vierzehnjährig begann er die Töpferlehre. Anschließend finden wir ihn auf Wanderschaft durch Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, wo er seinen ersten längeren Arbeitsplatz beim Bau des Schlosses für Zar Ferdinand von Bulgarien fand. Er kam bis Konstantinopel. Die Türkei sollte noch Lockung bleiben.

1906 kehrt er nach Österreich zurück: Tagsüber nun Töpferarbeit, abends besucht er Kurse an der Wiener Kunstgewerbeschule.

1910 die Aufnahmeprüfung an der Wiener Akademie der Künste wo er Schüler unter Prof. Josef Müllner wird. Daneben arbeitet und lernt er in des bedeutenden sudetendeutschen Bildhauers Anton Hanak eigener Werkstatt.

1914 erhält Thorak die ‚Österreichische Goldene Staatsmedaille für Kunst'!

Prof. Ritter von Schlosser, Direktor des Kunsthistorischen Museum in Wien, stellt Thorak Wilhelm von Bode, dem berühmten Kunsthistoriker vor, der Thorak empfiehlt: die Berliner Akademie der Künste zu besuchen.

So zieht Thorak 1915 nach Berlin, studiert unter Prof. Ludwig Manzel Graphik, dessen Meisterschüler er wird. Erhält den ‚Großen Preis der Technischen Hochschule Berlin' sowie mehrere 1.Preise für Medaillen. Nutzt seine Fertigkeiten nun auch als Zeichner im OKH.

 

Aufgrund eines Fehltritts wird er zum Gelegenheitsarbeiter, der sich auf einen Bauernhof verdingt. In dieser Zeit aber auch die Wachsplastik neu belebt. Dann aber wieder gen Berlin zieht: sein Studium abzuschließen, erhielt er doch 1919 den ‚Staatspreis des Kultusministeriums Berlin' für sein eindrucksvolles Gefallenenehrenmal für das Torgauer Reiterregiment. Auch für Saarow am Scharmützelsee, für Stolp und für den Wannseer Ruderclub entstehen solche Kriegerdenkmäler.

Beeinflusst von Rodin und Manzels naturalistischer Schulung tragen Thoraks Werke ab der 2. Hälfte der 20er Jahre des XX. Jahrhunderts. seine unverkennbare Handschrift. Ab 1928 ist er ständiger Ausstellungsgast der Berliner Akademie. Das Curlis-Institut produziert über Thoraks Leben und Werk den Film „Schaffende Hände". 1929 erscheint die von Wilhelm von Bode verfasste Monographie „Der Bildhauer J.Thorak". 1930 stellt Thorak, als damals jüngstes Mitglied, im Münchner Glaspalast mit der Berliner Sezession aus. Im selben Jahr erhält er auch den 1.Preis für den figürlichen Schmuck für das neue Reichsbankgebäude.

Was er in den Folgejahren schuf, wurde, abgesehen von der Christusstatue für die er 1934 den Rompreis erhielt, in Deutschland erst 1938 durch die Gesamtausstellung in Berlin kund: 1934 hatte der türkische Staatspräsident den von Thorak eingereichten Entwurf eines Nationaldenkmals in Ankara mit dem 1.Preis ausgezeichnet; weitere Staatsaufträge wurden erteilt. In Denizli steht das Denkmal mit Kemal Atatürk als stürmendem Reiter und dessen fünf Gefährten, in Eskisehir das Befreiungsdenkmal, in Antalya ein Mahnmal &endash; um nur einige zu nennen. Kemal Atatürk hatte die Meisterschaft des Künstlers erkannt.

 

Das Denkmal mit Kemal Atatürk als stürmischer Reiter in der Stadt Denizli (West-Türkei). Atatürk hatte die Meisterschaft von Thorak erkannt. Er bekam mehrere Aufträge.

© Foto Thorak-Archive, Marco-VG.

 

Auf der Weltausstellung in Paris im Jahr 1937 wurde Thorak vom internationalen Preisgericht der Grand Prix zuerkannt: Für die das Deutsche Haus flankierenden Gruppen ‚Familie' und ‚Kameradschaft', die er aus der zur Eröffnung des ‚Haus der Deutschen Kunst' geschaffenen Gruppe entwickelt hatte, die der Berichterstatter die „Bodybuilderphase" nennt, die neben den erwähnten Reliefs für den Reichsbankneubau auch das Denkmal der Arbeit prägt, das Reichsautobahndenkmal, das bei Salzburg, an den alten Landesgrenzen 16-17 Meter sich recken sollte, das aber &endash; wie eben auch Fritz Klimsch Mozartbrunnen 1:1-Modell &endash; 1945 bei der Besetzung Salzburgs mutwillig durch US-Truppen zerstört wurde.

Und auch die sich wie zu einem imaginären Tympanon (Giebelfeld) sich bildende siebenteilige Freiplastik-Gruppe (bis zur Kranzspitze 13,5 m messend, der Bekrönung des Nürnberger Märzfelds zugedacht), wurde bei Kriegsende 1945 (im 22 Meter hohen Baldhamer Staatsatelier harrend) zur ‚Schießscheibe besonderer Art.

 

‚Monumentaler Naturalismus':

Mit diesem Schlagwort legt man heute (2014) weiterhin sein Werk in Acht. Wer sich aber auch nur einer einzigen Arbeit des Künstlers erinnert: des Pferds (Hauptstück der Großen Deutschen Kunstausstellung 1939), in dem die naturalistische Form fast ornamental gefasst wurde (zur Bildschaffung gebundener Urkraft des Tieres) weiß vom Ringen um Erfüllung. Wieviele Vorstudien waren nötig gewesen bis dieser Pferdeleib in solcher Mächtigkeit den Blick bannte! Das Springende Pferd war entstanden, wie die Kämpfenden Pferde, für eine Pferdeschwemme bestimmt: Verkörperungen des Dynamischen, der entfesselten Naturkraft.

Welch gewaltige Lebensspannungen Thorak zu entbinden vermochte, dafür mögen 2 Werke aus den Jahren 1943 zeugen: Der Königliche Reiter, Friedrich der Große; Feldherr, Staatsmann und Philosoph als Reiter durch die Zeiten: Den Arm zu weisender wie gebietender Gebärde erhoben. Das Roß aus eigenem Willen gebändigt in lebendigem Einklang mit dem Reiter.

Gemessenheit und Stolz: „Man darf an nichts verzweifeln, aber man muss jedes Ereignis voraussehen und das, was die Vorsehung uns zuweist, mit ruhigem Antlitz aufnehmen, ohne Stolz über gute Erfolge und ohne sich durch schlechte erniedrigen zu lassen". Dieses, sein Wort, stimmt diesen Gleichklang.

Und bei Jahresende war das Denkmal des jungen Friedrich II vollendet. Hier sind die Reife des Alters, das Wissen um Sieg, Hingabe und Opfer: staatsmännische Verantwortung der jugendlichen Begeisterung, der inneren Festigkeit des Glaubens und des hieraus gefassten Entschlusses gewichen. Ein ‚Vorwärts' spricht aus Pferd und Reiter, der die Fahne voranreißt. So verschieden der Grundakkord beider Werke: in dem jungen Friedrich sind hier schon die vor der Schlacht bei Leuthen an die verzagende Gefolgschaft, an sein entkräftetes Heer gerichteten Worte lebendig: „Nun leben Sie wohl, meine Herren; in kurzem haben wir den Feind geschlagen, oder wir sehen uns nie wieder".

 

Ergreifende Schöpfung „Der letzte Flug"

In den Spannungsräumen der gewaltigsten Werke aber entstanden Schöpfungen wie die „Zwei Menschen" in ihrer scheuen, versunkenen und verhaltenen Gebärde und Haltung von ergreifender Schlichtheit, oder die ‚Wolkenschweber' Francesca di Rimini, das Hannele (Gerhart Hauptmanns), Mutter und Kind, in Bad Gastein hoffentlich noch Das Licht. Nicht zu vergessen: Der letzte Flug, eine ergreifende Schöpfung. In der Umgebung des Salzburger Mirabellgartens begegnen dem Touristen noch Thoraks Kopernikus und Paracelsus. Werke überlebensgroß wie sein Galilei und Grünewald sowie der geniale Baumeister des süddeutschen Barocks Fischer von Erlach, hinter dessen marmornem linken Knie ein Selbstporträt Thoraks hervorscheint und damit Stichwort gibt auch auf Thoraks Porträtschaffen einzugehen!

Ist es Thoraks meisterlich beherrschte Technik der Wachsplastik, die dies faszinierende aus-dem-Stein-treten seiner Marmorporträts auszeichnet? Kaum erklärbar, doch in den Porträts von Bismarck, von Nietzsche, Friedrich d.Gr. und dem von Dr. Fritz Todt aufdrängend.

 

Der letzte Flug" ist ein ergreifendes Meisterwerk von Josef Thorak. Es vereint das liebende Paar, die Schönheit, die Symbolik des Vergänglichen sowie die Hoffnung auf ein ewiges Sein in einer anderen Dimension.

© Foto: Thorak-Archive, Marco-VG

 

Im Entnazifizierungsverfahren…

wurde Thorak nach 1945 als ‚Mitläufer' eingestuft. Seine zweite Ehe, die er nach dem Tod seiner ersten Frau, 1929 mit der Jüdin Hilda Lubowska einging, war ob seines Ehebruchs im Dezember 1933 geschieden worden. Als Emigrantin bestätigte sie ihm aus England, dass er ‚kein Günstling des Regimes' gewesen sei. Doch auch das entlastende ‚Mitläufer'-Urteil der Spruchkammer bedeutete Arbeits- und Verkaufsverbot bis 1948! In einer Garage widmete er sich heimlich der Töpferei, stellte künstlerische Ofenkacheln her. In der Spanne bis zu seinem Tod am 25.Februar 1952 in Hartmannsberg entstanden Werke mit vorwiegend religiösem Bezug: Eine Hl.Ursula, eine Mädchengestalt für das Linzer Mädchengymnasium, für Rauris ein Denkmal, für die Missionskirche in Ndanda in Südafrika eine Madonna mit Kindern.

Was Wilhelm v. Bode in Würdigung des Schaffens des Vierzigjährigen im Jahr 1929 aussprach, dass Thorak durch all die Jahre nach dem Kriege, das Elend und die Korruption dieser Zeit, ungeschädigt und unbeeinflusst hindurchgehen konnte, dass er sich erst in dieser Zeit zu voller Eigenart durchgerungen habe, dies hätte er auch dem Totgeschwiegenen, dem Verfemten, dem Heimgegangenen bezeugen können, den allen zum Trotz eine amerikanische Zeitung 1950, anlässlich der Salzburger Ausstellung, einen der größten Bildhauer des 20.Jahrhunderts nannte.

Auf dem St.Petersfriedhof in Salzburg fand Thorak seine letzte Ruhe.

 

(1. Februar 2014)

 

 

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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 198, February 2014