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Hans-Dietrich Genscher gestorben

Staatsbegräbnis für einen großen Deutschen

 

Washington: US-Präsident George Bush am 21. November 1989 im Oval Office des Weißen Hauses, als ihm der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher ein Stück der "Berliner Mauer" überreicht. „Es war eine sehr herzliche Atmosphäre" erinnerte sich Genscher später an diese Begegnung mit Bush, der kurz vorher als Nachfolger von US-Präsident Ronald Reagan in das Amt kam.

Archive-photo by Susan Riddle, White House Photograph Office

 

Berlin/Bonn (bpb) Hans-Dietrich Genscher ist tot. Er war der dienstälteste Außenminister der Bundesrepublik. Er starb wenige Tage nach seinem 89. Geburtstag, an Herz-Kreislauf-Versagen am 31. März 2016, wie sein Büro in Bonn bestätigte. In der Sterbestunde sei seine Familie in Genschers Haus in Wachtberg-Pech (Rhein-Sieg-Kreis) bei Bonn gewesen.

Der frühere Bundesaußenminister und langjährige FDP-Vorsitzende Genscher war einer der „großen Deutschen" der Bundesrepublik nach 1945. Die Deutsche Einheit war die Krönung seines politischen Lebens. Im In- und Ausland wurde die Nachricht mit Trauer aufgenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte den einstigen Spitzenpolitiker als „großen liberalen Patrioten". Der sowjetische Ex-Präsident Michail Gorbatschow sagte, „Ich beklage den Verlust eines Freundes." Deutschland wird den Toten mit einem Staatsbegräbnis ehren.

Genscher galt als ein „Weltmeister der Reise-Diplomatie". Dabei kam ihm zugute, dass er in jeder Art von Fluggerät auf Reisen schlafen und dann frisch und munter aus der Maschine steigen konnte, um politische Gespräche sofort zu beginnen. Trotz seiner zahlreichen politischen Erfolge blieb Genscher natürlich und den Bürgern verbunden Er engagierte sich auch für soziale Projekte, Kultur und Kunst. Der Direktor für Transatlantische Beziehungen der Europäischen Kulturstiftung (EKS) Konsul B. John Zavrel (New York) würdigte Genscher als einen „großen Brückenbauer zwischen Ost und West". Er habe es während seiner Amtszeit verstanden trotz der bedrohlichen Ost-West Turbulenzen der internationalen Politik die deutschen Interessen mutig zu vertreten und die nötige freundschaftliche Balance zwischen Washington und Moskau zu halten.

 

Hoher Besuch bei der Europäischen Kultur Stiftung (Deutschland) auf Schloss Nörvenich: Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und Spaniens Kronprinz Felipe  (links) trugen sich in das Goldene Buch ein, das EKS-Kurator Marco J. Bodenstein (Mitte) vorlegte.  Der jetzige spanische König Philipp VI. übergab  als Gastgeschenk ein Exemplar des  ihm zu Ehren von Salvador Dalí gestalteten  königlichen Kreuzes "Fürst von Asturien", das bei dem Zeremoniell auf dem jahrhundertealten Schreibtisch im Alexander-Saal stand.

Copyright photo: EKS-Archive, Bonn

 

Ein Freund der Kultur und der Kunst

EKS-Präsident John G. Bodenstein erklärte in einer Kondolenz, die im Sinne der europäischen Verständigung wirkende Kulturvereinigung orientiere sich auch an der Einigungspolitik seines Ehrenmitglieds bei Gründung. Genscher selbst habe mehrmals Veranstaltungen im „Museum Europäische Kunst" Schloss Nörvenich (Kreis Düren) bei Köln eröffnet. Dazu gehörte auch eine Dalí-Retrospektive in Anwesenheit des Thronfolgers und jetzigen spanischen König Philipp VI. In gleich guter Erinnerung sei eine Benefizveranstaltung mit Genscher und seiner Ehefrau Barbara Genscher im Schloss zur Förderung ihrer „Deutschen Herzstiftung", deren Schirmherrin sie seit 1987 ist.

In Würdigung Hans-Dietrich Genschers war die EKS Mitinitiator des Medienpreises „Ohrenorden", für den der FDP-Politiker einen Abdruck seines linken Ohrs dem Bildhauer Kurt Arentz zur Verfügung stellte. Arentz hatte das unverkennbare Stück auf den den Miniatur-Grundriss der Bundesrepublik Deutschland komponiert. Seit 1991 wird dieser Orden in Bronze jährlich im Auftrag Genschers vergeben.

 

Die NS-Vergangenheit bis 1945

Genscher hat wie alle deutschen seiner Generation auch eine NS-Vergangenheit, die er nie verschwieg. Die Enzyklopädie Wikipedia vermerkt dazu unter anderem: Hans-Dietrich Genscher wuchs in einem bürgerlich-bäuerlichen und nationalkonservativen Milieu auf. Der Sohn des Juristen Kurt Genscher und der Bauerstochter Hilda Kreime besuchte das Städtische Reformrealgymnasium in Halle (Saale), wo die Familie seit 1933 wohnte.

Seit 1943 war Genscher Luftwaffenhelfer, absolvierte den Reichsarbeitsdienst (RAD) im Harz und wurde von Oktober bis November 1944 ins Erzgebirge kommandiert. 1944 wurde Hans-Dietrich Genscher im Alter von 17 Jahren Mitglied der NSDAP. Nach eigener Aussage geschah dies per Sammelantrag ohne sein Mitwissen. Er wollte Reserveoffizier werden und im Januar 1945 meldete er sich deshalb freiwillig zur Wehrmacht, nach eigener Aussage auch, um einer Zwangsrekrutierung durch die Waffen-SS zu entgehen. Er wurde zu den Pionieren in Wittenberg eingezogen. Als Angehöriger der „Armee Wenck", die in der „Schlacht um Berlin" eingesetzt war. Im Dienstgrad eines Gefreiten geriet er kurz vor Kriegsende im Mai 1945 zunächst in US-amerikanische und anschließend in britische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung im Juli 1945 arbeitete er als Bauhilfsarbeiter, ehe Genschers Aufstieg in die Welt-Politik begann.

 

(5. April 2016)

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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 224, April 2016