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Arno Breker und das Porträt Kaiser Haile Selassie von 1955

Von Uwe Möller, Präsident der AB-Gesellschaft

 

 

Haile Selassie, Porträt von Arno Breker. Original-Gips-Modell aus der Sammlung Europäische Kunst, Kunst Museum Nörvenich (www.museum-arno-breker.org). Ein großer Staatsmann und Freund der Deutschen.

© Photo Marco Bodenstein/Marco-VG

 

 

Stuttgart/Berlin (bpb) Arno Breker vollendete 1955 das Porträt des Äthiopischen Kaisers Haile Selassie. Es war ein Auftrag seiner Freunde. Die Bronze stand bis zum Sturz des Kaisers in Adis Abeba. Der Monarch gehörte im 20. Jahrhundert zu den verlässlichen Freunden der Deutschen. Er war das erste Staatsoberhaupt, das der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 einen Staatsbesuch abstattete. Der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer wusste diese politische Aufwertung zu schätzen. Als der Kaiser von Rebellen gestürzt und gefangen wurde gehörte Wilhelmine Lübke zu den ersten, die dessen Freilassung forderten. Das mutige Einstehen der Frau des deutschen Bundespräsidenten Bundespräsident Heinrich Lübke war vergebens. Der Kaiser wurde in einem Ziegenstall gesperrt und von Rebellen ermordet. Die Büste ist abgebildet im Bildband: Egret, ARNO BREKER/Ein Leben für das Schöne. (Bestellung des Buches an Marco-VG@gmx.de)

 

Uwe Möller, der Präsident der Arno Breker Gesellschaft, hat im ABG-Rundbrief Nummer 19 von August 2005 folgende „Skizzen zum deutsch-äthiopischen Verhältnis" mit einem Seitenblick auf die Rastaszene veröffentlicht.

Hiob Ludolf aus Erfurt, Begründer der Äthiopistik (Historia Aethiopica, Wörterbücher Latein-Amharisch und Latein-Ge'ez (äthiop.Kirchensprache),

1679 von Kaiser Leopold I. beauftragt den äthiopischen Kaiser zu einem Bündnis gegen die Türken zu bewegen, bekam weder auf seinen Brief an Kaiser Yohannes I., noch, nach dessen Tod, von Kaiser Iyasu I. eine Antwort. Sieht man mal davon ab, daß Tiervater Brehm im 19.Jahrhundert Abessinien, wie es damals hieß (im alten Ägypten hatte man vom Land Punt gesprochen), bereiste, so trat Äthiopien erst um die Wende 19./20.Jh. wieder in deutsches Blickfeld.

Stand auch Bismarcks Devise (Konflikte mit England und Frankreich im Kolonialbereich tunlichst zu vermeiden) entgegen, das Kaiserreich, bemüht diplomatische Beziehungen anzubahnen, entsandte im Dezember 1904 den Diplomaten Friedrich Rosen. 1889 hatte Kaiser Menelik II. den Thron bestiegen, 1896 in der Schlacht von Adua sein Barfußheer die modern bewaffnete italienische Armee besiegt!

Über Djibouti, Dire Dawa und vierwöchigem Maultier- und Kamelritt hielt die 19köpfige Delegation (8 Herren + 2 Diener + 9 Garde-Kürassiere) in Frack oder Galauniform am 12.Februar 1905 in Addis Abeba, der 1890 gegründeten neuen Hauptstadt eindrucksvollen Einzug, mitten durch ein riesiges Soldatenspalier. "In überaus herzlicher Atmosphäre" am 19.Februar die Audienz beim Kaiser. Am 7. März wurde der Freundschafts- und Handelsvertrag geschlossen, Ende 1905 die offiziellen diplomatischen Beziehungen besiegelt. Für den Bau der deutschen Gesandtschaft schenkte der Kaiser dem Reich ein großes Grundstück am Fuße des Entoto-Berges; die Straße und Brücke über den Kabbana-Fluß durften die Deutschen gleich mitbauen zum Murren des Reichs-Schatzamts. In Berlin wurde ein Lehrstuhl für äthiopische Studien neu begründet. 1906 Enno Littmanns Expedition ins rund 2000 Jahre alte Axum, den christlichen Mittelpunkt Äthiopiens und Krönungsort vieler Kaiser. 1908 konnte Bauarbeitenvollzug in Addis Abeba gemeldet werden. Der Bitte um deutsche Fachleute zur Modernisierung des Landes kam Berlin 1909 nach: Deutscher Leibarzt, deutscher Erzieher für Meneliks Enkel und Thronfolger. Alfred Zintgraf von der Gesandtschaft wurde Berater des Kaisers; leider, denn er wurde in Hofintrigen zwischen Kaiser- und Kaiserin-Partei verwickelt. 1910 mußten die Deutschen das Land verlassen; auch der bayerische Forstbeamte, auch Oberleutnant Schubert, dem die noch heute gültige Grenzfestlegung zwischen Äthiopien und Ostafrika (heute Kenia) zu verdanken ist. 1913, nach dem Tod Meneliks, Wiederherstellung der guten äthiopisch-deutschen Beziehungen unter Iyasu (was seinen Sturz, 1915, durch die Engländer besiegelte). Kaiserin wurde Iyasus Tante Zauditu.

 

Auftrieb der panafrikanischen Ideologie

Nun ein Sprung über den Atlantik: In Jamaika propagierte der Gewerkschafter Marcus Garvey, 1887 geboren, die schwarze Emanzipation durch strikte Rassentrennung und Rückkehr aller Menschen schwarzer Hautfarbe in ihr Ursprungsland Afrika. Diese panafrikanische Ideologie fand nun 1930 durch die prunkvolle Krönung Haile Selassis, als 111. Herrscher Äthiopiens, der sich selbst 'Negus Negesti', Herr der Herren nannte, gehörigen Auftrieb: Ein Schwarzer, frei, gekleidet in Würde, Herrscher eines unabhängigen Staates inmitten von Kolonien--die Rastafaris (denen die Popszene des Reggae alles verdankt) sahen in ihm, man kann sagen--einen Messias. Und Garveys Freund Leonard Howell, "der erste Rasta" (sie leiteten ihren Namen von Selassies Geburtsname Ras Tafari Makonnen ab) nannte die schwarze Rasse die des Ursprungs, als solche überlegen den anderen.

Die am Rande der Gesellschaft standen, sie entwickelten plötzlich Selbstwertgefühl. Rassenstolz zeigte man durch 'Dreadlocks', die zu dicken Strähnen verfilzten Haare, schmückte, was irgendmöglich, mit den panafrikanischen Farben Grün/Heimat + Hoffnung, Gelb/Größe + Pracht Afrikas, Rot/Blut und Kampf. Mit seinen Jüngern zog sich Howell in die Berge zurück. Vom Landbau wollte man sich ernähren, auf Schweinefleisch, Alkohol, Schalentiere, schuppenlose Fische, auch Salz--verzichten. Marihuana bzw. Ganja als 'wisdom weed' (heiliges Kraut), Trommeln, Tanzen--war Unterpfand ihrer Spiritualität. Als 1954 die Polizei das Camp stürmte (der 'gottgleiche Howell' hatte sich, zur Verwirrung seiner Jünger, gar einen Harem von 13 Frauen zugelegt), widersetzte sich niemand, als man ihn ins Irrenhaus abführte.

 

Deutsche Hilfe 1935 und Dankbarkeit

Zurück nach Deutschland: Nach 1945 hatte nur der Widerspruch der Wirtschaft in Westdeutschland die Schließung der deutschen diplomatischen Vertretung verhindert. Haile Selassie aber hatte ein gutes Gedächtnis: Schon 1945 kamen erste Hilfslieferungen nach Deutschland. 1954 im November, noch bevor der junge Staat Souveränität erlangt hatte, war er es, der als erstes ausländisches Staatsoberhaupt die Bundesrepublik Deutschland besuchte, sie sozusagen salonfähig machte. Kaiser Haile Selassie hatte nicht vergessen, dass Adolf Hitler seiner im Juli 1935 durch den äthiopischen Staatsrat David Hall in Berlin vorgetragenen Bitte um Waffen, durch einen Kredit von drei Millionen Reichsmark entsprochen hatte (was allerdings nicht verhindern konnte, daß Äthiopien für 5 Jahre italienische Kolonie wurde).

Nochmals ein Blick übern Atlantik: Militante Rastafaris lieferten sich nun Straßenschlachten. Der sozialistische Politiker Norman Manley entdeckte die Rastafaris als Wählerpotential, bemühte sich aber auch um Entkriminalisierung.

Haile Selassie sucht dringend beruflich qualifizierte (keine marihuanarauchenden) Einwanderer. Er nimmt die Einladung Manleys an. 1966, beim Staatsbesuch: strömender Regen als das Flugzeug landet, doch in genau diesem Augenblick, da sich die Tür öffnet, reist die Wolkendecke auf, die Sonne bricht durch. 'ein himmlisches Zeichen'! Die Rastafaris stürmen das Rollfeld, sodaß der Kaiser zunächst ins Flugzeug zurückflüchtet.

 

November 2000, in Addis Abeba: 200 000 Menschen begleiten die Beisetzung Haile Selassies, des 'Löwen vom Stamme Juda'. 1974 war der Kaiser gestürzt worden, Äthiopien in den Kreis kommunistischer Diktaturen eingereiht. Erst 1992, nach dem Sturz Mengistus 1991, wurde des Kaisers Leichnam unter einer Toilette dessen Amtssitzes gefunden; ermordet worden war er wohl schon im August 1975.

Was wohl wissen heute die rastabezopften Jugendlichen auf Straßen und Schulhöfen davon?

 

 

© PROMETHEUS 100/2005

  

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Nr. 100, OCTOBER 2005