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Angela Merkel ist Bundeskanzlerin von Europa

Die deutsche Regierungschefin will die Europäische Union voranbringen

 

Von Parlamentskorrespondent John G. Bodenstein

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Deutschen Bundestag im Reichstagsgebäude Berlin. Deutschlands erste Regierungschefin gilt als Willensstark und hat viel Durchsetzungsvermögen bewiesen. Die CDU-Politikerin will die vom ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer verfolgte Idee eines geeinten Europas als politische Kraft in der Weltpolitik voranbringen.

© Foto Parlament/Marco-VG

 

Berlin (bpb) Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am 1. Januar 2007 die EU-Präsidentschaft für ein halbes Jahr übernommen. Damit ist die Regierungschefin sozusagen „Bundeskanzlerin von Europa". Ihre Verantwortung in dieser Amtszeit dauert ein halbes Jahr, bis 30. Juni 2007. In diesen sechs Monaten will Merkel nach eigenen Angaben die Europäische Einigung weiter voranbringen. In einer Regierungserklärung im Deutschen Bundestag betonte die CDU-Politikerin, das Zustandekommen einer Europäischen Verfassung sei ihr ein besonderes Anliegen.

Erfahrungsgemäß können nicht alle guten Vorsätze einer Ratspräsidentschaft verwirklicht werden. Die Zeit ist zu kurz, die Probleme und Widerstände sind zu groß. Als wichtig gilt, dass die jeweilige Ratspräsidentschaft das von Konrad Adenauer, Robert Schuman und Charles de Gaulle begonnene europäische Einigungswerk voranbringt. Die Aufnahme zahlreicher Staaten aus dem ehemaligen Ostblock stößt bei vielen Menschen auf Ablehnung, da nach ihrer Ansicht eine alle Staaten umfassende Europäische Union unregierbar wird. Der Verfall dieses Systems sei daher vorprogrammiert.

Die Europäische Union hat drei Organe: Den Ministerrat als Vertretung der Mitgliedstaaten, die EU-Kommission und das Europäische Parlament. Der Rat wird von einer Präsidentschaft geleitet, die die Mitgliedstaaten in halbjähriger Rotation übernehmen. Bis 31. Dezember 2006 hatte Finnland dieses Amt. Mit der Ratspräsidentschaft, vom 1. Januar bis 30. Juni 2007 ist zum ersten Mal seit 1999 wieder Deutschland an der Reihe. Die Mitgliedstaaten legen die Reihenfolge der Präsidentschaft fest. Nach der Bundesrepublik wird im zweiten Halbjahr 2007 Portugal den Vorsitz übernehmen. Im Jahr 2008 kommen dann Slowenien und Frankreich in diese Verantwortung.

 

 

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel im Parlament spricht, dann ist ihr großes Medieninteresse sicher. Internationale Fotografen senden die Bilder der deutschen Regierungschefin in alle Welt.

© Foto DBT

 

 

Die Aufgaben der EU-Ratspräsidentschaft

Die Präsidentschaft hat im wesentlichen drei Aufgaben. Sie koordiniert und leitet die Arbeit in den einzelnen Ministerräten. Dabei legt sie die Tagesordnung fest und versucht, mit Kompromissvorschlägen in den Sachgebieten eine Einigung unter den Mitgliedstaaten herbeizuführen. Von der Präsidentschaft wird deshalb erwartet, dass sie während des Vorsitzes nationale Interessen in den Hintergrund treten lässt.

Ferner muss die Präsidentschaft die Arbeit mit den beiden anderen EU-Institutionen koordinieren, der Kommission und dem Parlament. So leitet sie für die EU-Staaten die Verhandlungen mit dem Parlament, wenn sich beide Institutionen über einen Gesetzesentwurf nicht einig sind. Die dritte Aufgabe des Vorsitzes ist, die EU international zu vertreten. So führt die Präsidentschaft an der Seite der EU-Kommission Verhandlungen mit Drittstaaten und pflegt die Außenbeziehungen der EU.

Eine EU-Ratspräsidentschaft ist für ein Land stets willkommene Gelegenheit, sich selbst zu präsentieren. So findet in der Regel in jedem Halbjahr eine Konferenz der Staats- und Regierungschefs in dem jeweiligen Präsidentschaftsland statt. Außerdem kommen die Fachminister zu informellen Treffen zusammen. Die Bundesregierung hat die EU-Staats- und Regierungschefs bereits für den 25. März nach Berlin eingeladen, um den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge zu begehen.

Nachteil eines jeweils halbjährlichen Wechsels des EU-Ratsvorsitzes ist, dass auch Reibungsverluste entstehen. Der EU-Verfassungsentwurf sah deshalb die Wahl eines Ratspräsidenten für zweieinhalb Jahre vor. Da der Verfassungsvertrag derzeit auf Eis liegt, hat die Bundesregierung zum Ausgleich ihr Programm für das kommende Halbjahr mit den beiden folgenden Ratspräsidentschaften - Portugal und Slowenien - abgestimmt. Diese so genannte «Dreier-Präsidentschaft» gilt als ein hoffnungsvolles Experiment und ist eine Premiere. (1.1.2007)

 

 

© PROMETHEUS 115/2007

PROMETHEUS, Internet Bulletin - News, Politics, Art and Science. Nr. 115, January 2007