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Erica Pappritz: Prominente sind kein Vorbild für gutes Benehmen

Adenauers Protokoll-Dame schätzte die Queen wegen ihrer Haltung

Von Thomas Berg

 

Die „First Lady" der Etikette, Erica Pappritz, mit dem diplomatischen Korrespondenten Joe F. Bodenstein in ihrer Bonner Residenz am Rhein. Gespräch in royaler Atmosphäre mit Tee aus englischer Silberkanne. Feinste Pralinen und Gurken Sandwich a la Queen gehörten dazu.

© Pappritz-Archiv, Marco-VG

 

 

Berlin/Washington (bpb) „Politiker noch andere Prominente können automatisch als Vorbilder für gutes Benehmen betrachtet werden." Das sagte die Etikette-Expertin Erica Pappritz zur Zeit des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Die Richtigkeit dieser Aussage wird im Medienzeitalter mehr den je bestätigt. Als kuriose Beispiele sind genannt: US-Präsident George W. Bush massiert der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel Schultern und Rücken (von hinten), Hollywood-Stars tragen mehr denn je nackte Haut und Musik- und Sportstars wechseln ihre Geliebten wie Hemden.

Das Bewusstsein in der Bevölkerung für richtiges und gutes Benehmen hat der Schriftsteller Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge (1752-1796) geschaffen. Seine Schrift „Über den Umgang mit Menschen" wurde als Benimm-Ratgeber in allen Lebenslagen interpretiert. Über Jahrhunderte hinweg gilt der Adelsmann als der Urvater von Benimm-Regeln in allen Lebenslagen.

Im 20. Jahrhundert hatten Ratgeber für gutes Benehmen Konjunktur. Kein Etikette-Buch war jedoch so erfolgreich wie das der ersten Protokolldame der Bundesrepublik Deutschland, Erica Pappritz. Sie hatte die gesellschaftlichen Regel für das Staatsprotokoll unter Bundespräsident Theodor Heuss und Bundeskanzler Konrad Adenauer wesentlich geprägt, ja sogar festgelegt. Nach dem durch Alter bedingten Ausscheiden aus dem Auswärtigen Amt in Bonn schrieb die grazile Dame Kolumnen, mit denen ihr Ehrenkodex für die demokratische Gesellschaft verdeutlicht wurde.

Ihr Sekretariat leitete der diplomatische Korrespondent Joe F. Bodenstein. Er erinnert sich: „Die Position und der Einfluss von Erica Pappritz lag vor allem in ihrem persönlichen verhalten begründet. Sie war ehrlich, aufrichtig und unbestechlich." Eine Vorteilsnahme im Amt, sprich Korruption, sei bei ihr nie in Frage gekommen. Erica Pappritz, die von der Kaiserzeit bis nach 1945 im Auswärtigen Amt Dienst leistete, war eine unantastbare Autorität und selbst im Kalten Krieg in keiner Weise erpressbar.

Als der damalige Außenminister Heinrich von Brentano bei einer Tischgesellschaft zu seinem „Chef" Bundeskanzler Adenauer scherzhaft klagte, „die Pappritz agiert wie ein trotziger Hofmarschall", da beruhigte Adenauer: „Lassen se mal jut sein, die Frau weiss schon, was für uns richtig ist." Die Legationsrätin war Grandmaster des Alexander-Ordens pour le Merite für Kunst und Wissenschaft unter dem Patronat des Königs von Griechenland. Sie hatte über 30 internationale Orden und Auszeichnungen.

Das Buch der Etikette von Frau Pappritz und ihrem Ghostwriter Graudenz war ein dicker Wälzer. Daher war es ihr Wunsch, eine übersichtlichere Ausgabe zu machen, die auch die junge Generation anspricht. Sie hatte im Sinn einen neuen „Pappritz" zu publizieren, der in der Tradition des „Knigge" steht. Ihre Motivation war: „Gutes Benehmen muss erlernt und erarbeitet werden. Die Regeln können nicht nach dem Zeitgeist gemacht werden, sondern nach ihrer zeitlosen Gültigkeit."

Übrigens: als zeitloses Vorbild betrachtete Erica Pappritz Queen Elizabeth von England. Auf die Königin ließ sie nichts kommen: „Sie ist in der Öffentlichkeit stets zurückhaltend, höflich und beherrscht. Sie lässt sich weder Kummer und Schmerz noch Einsamkeit anmerken."

 

 

© PROMETHEUS 119/2007

PROMETHEUS, Internet Bulletin - News, Politics, Art and Science. Nr. 119, May 2007