Bilder verschiedener Techniken aus dem Kunstfund 2012 in München (Deutschland): Er wurde bei dem 81-jährigen Sohn eines Kunsthändlers beschlagnahmt". Solche Bilder werden nach Experten-Meinung nicht gekauft, weil sie schön" sind. Sie werden von Spekulanten gekauft in der Erwartung, dass die einst von der NS-Führung als Entartete Kunst" verdammte Stilrichtung eine Kapitalanlage ist. Die einstigen Durchschnittskünstler wurden durch die NS-Aktion letztlich gegen den Willen der Initiatoren zu Kunst-Stars gemacht, von denen vor allem die Erben profitieren.
Foto: Justiz-Archiv
München/Berlin (bpb) Der Fund von über 1.400 Bildern unterschiedlicher Kunst-Techniken, die stilistisch der Entarteten Kunst" entsprechen, hat in Deutschland eine regelrechte Hysterie ausgelöst. Entdeckt wurden sie in der Privatwohnung des Sohnes eines Kunsthändlers. Der 81-jährige hatte das Erbe in Erinnerung an seinen verstorbenen Vater in seiner Wohnung zusammengehalten. Dies gelang ihm über Jahrzehnte, bis eines Tages im Jahr 2012 plötzlich die Justiz an die Tür klopfte und die Sammlung beschlagnahmte.
Argument für die unter Protest erfolgte Mitnahme des Eigentums war allein die Annahme, es handle sich um Raub-Kunst", die in der NS-Zeit möglicherweise jüdischen Bürgern weggenommen oder unter dem Wert abgekauft wurde. Im Oktober 2013 stützte sich nach Medien-Berichten die deutsche und die Internationale Diskussion über die zu klärende Eigentumsfrage weiterhin auf Vermutungen. Hinzu kommt ein Gewirr von Äußerungen, die von Seiten der Politik, Justiz und Kunstwissenschaftlern zu hören sind. Sie alle stürzen sich auf dieses medienwirksame Thema. Dazu gehört auch der kaum bekannte 71-jährige Kulturstaatsminister von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bernd Neumann. Behörden in Bund und im Freistaat Bayern, die Staatsanwaltschaft Augsburg und eingesetzte Fachkommissionen untersuchen die Angelegenheit, die sich dadurch immer dramatischer anhört.
Der Erbe Cornelius Gurlitt fordert alle Bilder zurück
Der recherchierte Hintergrund der Geschichte ist nach Angaben der von der Beschlagnahmung Betroffenen wie folgt: Der deutsche Kunsthistoriker Hildebrand Gurlitt (geboren 15. September 1895 in Dresden; gestorben am 9. November 1956 in Düsseldorf) war Leiter des König-Albert-Museums in Zwickau und des Kunstvereins in Hamburg. Während der Zeit des Nationalsozialismus musste er als Kunsthändler arbeiten. Dabei war er damit beauftragt, die aus deutschen Museen beschlagnahmte sogenannte Entartete Kunst ins Ausland zu verkaufen. Er hinterließ seinem Sohn Cornelius Gurlitt seine alten Bestände als Erbe. Diese fallen nun unter den als Kunst-Schatz" beschlagnahmt Konvolut.
Der 81-jährige Rolf Nikolaus Cornelius Gurlitt wurde am 28. Dezember 1932 in Hamburg geboren. Er sieht sich als alleiniger Eigentümer. Cornelius Gurlitt nahm im November 2013 zu den Vorwürfen gegen ihn Stellung. In einem Interview mit dem Magazin Der Spiegel" sagte er, die Justiz und die Medien stellten die Zusammenhänge falsch dar. Alle Kunstwerke seien von seinem Vater rechtmäßig erworben und an ihn vererbt worden. An eine freiwillige Rückgabe denke er nicht. Er wolle sein Eigentum insgesamt zurück haben.
Bilder waren bereits in den USA ausgestellt
Über die Sammler-Familie wird berichtet: Hildebrand Gurlitt legte in der NS-Zeit auch privat eine Sammlung von Werken überwiegend der klassischen Moderne an. Teile der Sammlung wurden 1945 in Aschbach von den Alliierten beschlagnahmt und im Wiesbaden Central Collecting Point verwahrt, jedoch 1950 zurückgegeben. 1945/46 gab Gurlitt das von ihm aus dem Besitz der Hamburger Kunsthalle erworbene Gemälde Wagen in den Dünen" des jüdischen Malers Max Liebermann an dieses Museum zurück. 1956 wurden Stücke der Sammlung von Hildebrand Gurlitt im Rahmen der Ausstellung German Watercolors in New York, San Francisco und Cambridge ausgestellt.
Der österreichische Kunsthistoriker Alfred Weidinger ist der Ansicht, dass es keinen Grund zur Aufregung gebe. Er zeigte sich am 6. November 2013 über die angebliche Entdeckung" dieser Sammlung verwundert, denn ihre Existenz und Ausmaße seien allen Kunsthistorikern im süddeutschen Raum bekannt" gewesen.
Trotz dieser klärenden Worte wird vom deutschen Kulturstaatsminister Neumann, vom Zentralrat der Juden in Deutschland und von weniger bekannten Kunsthistorikern eine baldige Aufklärung der Zusammenhänge gefordert. Der Jüdische Zentralratspräsident Dieter Graumann kritisierte in der Süddeutschen Zeitung" die angebliche Absicht der Staatsanwaltschaft Augsburg, die Bilder dem Erben, zurückzugeben. Eine pauschale Rückgabe sei sicher der falsche Weg"
Bei Fällen von möglicher Raubkunst seien "Sensibilität und Verantwortung gefragt". Es gehe "nicht nur um den Rechtsanspruch auf Restitution", der Fall habe auch eine "moralische und historische Dimension". Es liege nun in der Verantwortung der Politik, "den Opfern von damals zur Würde von heute zu verhelfen", sagte Graumann.
Adolf Hitler hat das Haus der Deutschen Kunst" am 18. Juli 1937 in München persönlich eröffnet. In diesem klassischen Gebäude wurden in den folgenden Jahren die offiziellen deutschen Kunstausstellungen veranstaltet. Sie waren als Verkaufsausstellungen konzipiert, damit die Bürger Kunstwerke erwerben konnten.
Foto: Archive History
History: Deutsche Kunst und Entartete Kunst
Als Entartete Kunst" galten im NS-Regime alle Kunstwerke und kulturellen Strömungen, die mit dem Kunstverständnis und dem Schönheitsideal der Nationalsozialisten nicht in Einklang zu bringen waren: Expressionismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit, Surrealismus, Kubismus oder Fauvismus. In diesem Zusammenhang wurden angeblich rund 16.000 modernen Kunstwerken beschlagnahmt, die zum Teil über die Schweiz ins Ausland verkauft wurde und erhalten blieben.
1937 wurde die Aktion Entartete Kunst" mit einer Ausstellung dieser von der politischen Führung nicht gewünschten Kunst am 19. Juli 1937 in den nördlichen Hofgarten-Arkaden" in München eröffnet. Es wurden 650 konfiszierte Kunstwerke aus 32 deutschen Museen gezeigt . Bis April 1941 wanderte die Ausstellung in zwölf weitere Städte. Nach historischen Aufzeichnungen zog die Ausstellung über drei Millionen Besucher an. Die Schau wurde von Joseph Goebbels initiiert und von Adolf Ziegler (1892-1959), dem Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste, geleitet. Der Bildhauer Arno Breker war gegen die Aktion Entartete Kunst" und nahm auch nicht an der Ausstellung in München teil.
Am Vortag, dem 18. Juli 1937, wurde in München von Adolf Hitler das Haus der Deutschen Kunst" eröffnete. Auf dieser ersten Großen Deutschen Kunstausstellung" erregte Hitlers Lieblingsbildhauer und Michelangelo", der damals 37-jährige Arno Breker mit seinen Werken Aufsehen. Ferner waren Exponate der favorisierten Bildhauer zu sehen: Joseph Thorak, Georg Kolbe, Richard Scheibe, Fritz Klimsch, Adolf Wamper, Joseph Wackerle und andere.
Die Exponate auf der Ersten Deutschen Kunstausstellung waren von einer Kommission von Kunstpolitikern ausgesucht worden , an Ihrer Spitze der Präsident der Reichskammer der Bildenden Künste Adolf Ziegler. Auch Hitler war an der Auswahl beteiligt. Diese Ausstellung war als Verkaufsausstellung gedacht. Damit sollten die Künstler der Deutschen Kunst gefördert werden. Die Ausstellung wurde bis 1944 jedes Jahr wiederholt. Hitler hielt bei der Eröffnungsausstellung am 18. Juli 1937 eine programmatische Rede über die Bedeutung einer eigenständigen deutschen Kunst in der Tradition des christlich-abendländischen Kulturerbes. Bis zum Machtantritt der Nationalsozialisten hat damals in Deutschland die sogenannte moderne Kunst dominiert. Dieser internationale Kunsthandel lag vorwiegend in jüdischer Hand.
(1.12.2013)
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PROMETHEUS, Internet Bulletin for Art, News, Politics and Science, Nr. 196, December 2013