Raketenforscher Oberth und die NS-Zeit--US-Raketen auf Afghanistan erhöhen die Aktualität--Uraufführung am 21. Oktober
Von B. John Zavrel, New York
Konsul B. John Zavrel mit Hermann Oberth, der "Father of Space Flight" in Feucht, Germany in 1987 (Photo by MARCO, Bonn).
Berlin. Der deutsche Schriftsteller und Bühnenautor Rolf Hochhuth präsentiert am 21. Oktober 2001 in Berlin ein neues Theaterstück mit dem skandalträchtigen Titel: Hitlers Dr. Faust. Darin wirft Hochhuth am Beispiel der Arbeit des aus Siebenbürgen stammenden Raketenforschers Hermann Oberth (1894-1989) in der NS-Zeit die Frage auf, "wie weit sich Wissenschaftler von der Macht missbrauchen lassen dürfen, um ihre Forschungen zu verwirklichen".
1941 war Oberth auf einem Höhepunkt seiner Forschung angelangt. Er wurde in die Heeresversuchsanstalt Peenemünde berufen, wo Hitler Raketen für den Kriegseinsatz und den erhofften "Endsieg" entwickeln ließ. Dort war auch der deutsche Raketenfachmann Wernher von Braun tätig, der später den USA zu grandiosen Erfolgen bei der Weltraumfahrt verholfen hatte.
Hochhuths Stück wird in Europa mit großer Spannung erwartet. Der Autor hat zwei Wochen vor der Premiere in einem Interview mit dem Publizisten Joe F. Bodenstein in Berlin darauf hingewiesen, dass es einen aktuellen Bezug vor dem Hintergrund der US-Raketenschüsse in Afghanistan gibt. "Wer sich das Stück ansieht in dem historischen Augenblick, in dem wieder Raketen geschossen werden, wird die Aktualität nicht bestreiten", sagte Hochhuth.
Auf die Frage, was er mit dem Bühnenstück über 56 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem bezwecken wolle, sagte der 70-jährige Schriftsteller: "Informationen und menschliche Anteilnahme sowohl für Hermann Oberth wie für die Londoner Opfer seiner Raketen."
Hochhuth hat den "Vater der Weltraumfahrt" und Lehrer des später in den USA erfolgreichen Raketenexperten Wernher von Braun nicht gekannt. So konnte Hochhuth ohne jede persönliche Beeinflussung über den Fall Oberth und die Zeit recherchieren. "Die erste Skizze stammt aus dem Jahr 1990", erklärte Hochhuth. Es gehe nicht nur um die Verwicklungen von Wissenschaft und Macht sondern auch "schlicht um Menschen". Dabei spielte natürlich die Geschichte der großen Liebe zwischen Oberth und seiner Frau Tilla eine Rolle. Auch die Spannungen zwischen den beiden Eheleuten werden berücksichtigt. "Die Frage ist hier: Wie sieht es in einer Ehe aus, wenn der Ehemann Bomben bastelt."
Die Rolle von Brauns im Spiel mit der Macht blieb vorerst geheim
In welchem Umfang Hochhuth die Rolle Werner von Brauns in der NS-Zeit darstellt, blieb vor der Welturaufführung des Theaterstücks ein Geheimnis. Von Braun habe stets "dankbar anerkannt, dass sein Lebenswerk ohne Hermann Oberths Vorarbeiten und ohne Oberths spätere Mitarbeit nicht denkbar war", erinnerte Hochhuth in dem Interview.
Von Braun hatte Oberth bereits 1929 als Student der TU Berlin bei Versuchsarbeiten am ersten Raketenmotor für Flüssigtreibstoffe geholfen. Diese Zusammenarbeit setzte sich in den folgenden Jahrzehnten fort. Nach 1945 holte von Braun seinen "guten alten Lehrer" sogar zeitweise in USA. Selbst als von Braun zum führenden Experten des amerikanischen Weltraumprogramms wurde, verkündete er öffentlich über Oberth: "Ich selbst verdanke ihm nicht nur den Leitstern meines Leben, sondern darüber hinaus meine erste Berührung mit den theoretischen und praktischen Seiten der Raketentechniken der Raumfahrt." Den richtungsweisenden Beiträgen Oberths auf dem Gebiet der Astronautik "gebührt ein Ehrenplatz in der Geschichte der Wissenschaft und Technik".
Positiv wertet Hochhuth, dass die USA die Verdienste Oberths um die Erforschung des Weltraums nicht vergessen haben. Zu den in Amerika veröffentlichten Büchern von Oberth gehört die englische Erstausgabe: "Primer For Those Who Would Govern" (price $ 20 plus $ 4 shipping, West-Art Publishers, 10545 Main Street, Clarence, New York 14031, e-mail: zavrel@meaus.com).
Die NS-Zeit hat Hochkonjunktur in den Medien
Berichte über die NS-Zeit, die Person des Diktators Adolf Hitler und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit im einstigen Machtbereich der Deutschen haben im Fernsehen immer noch Hochkonjunktur. Sein Stück "Hitlers Dr. Faust" hat Hochhuth jedoch nicht als einen Abklatsch der in der Bundesrepublik gesendeten unendlichen Geschichten aus der NS-Diktatur geschrieben. Auf dieser Welle mit Serien wie "Hitlers Generäle", " Hitlers Helfer", "Hitlers Frauen" oder "Hitlers Kinder" wolle er nicht reiten. "Sie sind auch für mich kein Vorbild", sagt der Autor, der mit dem deutschen Fernsehen nicht die besten Erfahrungen gemacht hat.
"Ich schreibe schon deshalb niemals Ergänzungen zu Fernsehserien, weil das deutschsprachige Fernsehen außer meiner 'Hebamme' noch niemals ein Stück von mir in die Programme genommen hat", sagte Hochhuth.. Die Ausstrahlung der Komödie "Hebamme" sei damals eigentlich nur wegen der beim Publikum hochgeliebten deutschen Volksschauspielerin "Inge Meysel und trotz Hochhuth" erfolgt.
Wer sich durch das Stück von Hochhuth über Hermann Oberth nicht ausreichend informiert fühlt, der kann die Internetseite (http://www.oberth-museum.org) anklicken. Dort findet er in dem deutschen Oberth-Museum Sachinformationen über Leben und Werk dieses ungewöhnlichen Mannes.